Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
wirklich nur ein Bote bist.«
Gehorsam paddelte Tasil näher ans Ufer heran.
»Du scheinst die Wahrheit zu sagen, Mann, doch bin ich nur ein einfacher Krieger und weiß nichts davon, dass unsere Führer dich erwarten. Aber ich werde dich zu meinem Schab geleiten, vielleicht weiß der mehr.«
»Tu das, tapferer Krieger, doch vielleicht können du und deine Waffenbrüder mir mit meinem Gefährt an Land helfen. Ich kenne diese Art Boot nicht sehr gut.«
»Ich fürchte, es muss genügen, wenn ich dir zur Hand gehe, Fremder, denn meine Waffenbrüder stehen weit entfernt.«
Als das Boot schon fast am Ufer war, spürte Maru endlich Grund unter den Füßen. Sie ließ den Nachen los, holte tief Luft und tauchte unter. Sie ließ sich von der Strömung ein kleines Stück stromabwärts treiben, dann schwamm sie ans Ufer und lauschte auf die leisen Stimmen Tasils und des Kriegers, die das Boot an Land hoben. Sie drehte sich um. Auf der anderen Seite des Flusses lag die Stadt. Fackeln brannten auf den meisten ihrer Türme und über den Toren. Die Lichter des oberen und des unteren Tores lagen fast auf einer Linie. Sie prägte sich dieses Bild ein, denn es war der einzige Anhaltspunkt, den sie bis jetzt hatte, um diese Stelle in dunkler Nacht wiederzufinden. Sie kletterte vorsichtig die Böschung hinauf, sah sich noch einmal um und tastete sich dann leise durch den Schilfgürtel voran.
Hügelgräber
Reich waren die Herrscher der Dhanier, und mit ins Grab nahmen sie ihre Schätze, doch die Wächter der Totenstadt ließen sie nicht damit über ihre Schwelle.
Kydhische Legende
Maru ließ den Schilfgürtel hinter sich und sah die lange Reihe der Wachfeuer entlang der Straße. Die Postenkette war so weit auseinandergezogen, dass sie leicht hindurchschlüpfen konnte. Danach fingen die Schwierigkeiten an. Das Feuer zwischen den Hügelgräbern war entweder verloschen, oder sie konnte es von ihrem jetzigen Standpunkt aus nicht sehen. Jenseits der Straße lagen Vorland und Sumpf in Dunkelheit. Wie sollte sie die Stelle finden? Sie zählte die Wachfeuer ab, ein guter Gedanke, der ihr auf der Festungsmauer leider nicht gekommen war. Sie konnte nur schätzen, wo die Gräber liegen mochten. Sie wandte sich nach Süden. Der Weg war mühsam und fester Grund selten. Selbst jetzt, in der Trockenzeit, trug das Wasserland seinen Namen zu Recht: Morastige Tümpel und fast versiegte Bachläufe versperrten ihr den Weg, und manchmal sank sie bis zu den Knien im weichen Boden ein. Und je weiter sie sich von der Straße entfernte, desto schlimmer wurde es. Das konnte gefährlich werden. Was, wenn sie in ein richtiges Moorloch geriet? Sie entschied sich schließlich, nicht weiter ins Hinterland vorzudringen, sondern sich entlang der Straße, aber in sicherem Abstand, nach Süden zu bewegen. Sie sah dort Posten auf und ab gehen. Krieger saßen im Lichtschein und starrten in die Flammen. Sie würden sicher kein Auge schließen, nicht, solange sie Schaduks Fluch fürchteten. Immer wieder blickte Maru
zur Stadt, um anhand der Fackeln, die auf den Türmen brannten, Anhaltspunkte zu finden, wie weit sie ungefähr schon gekommen war, doch half das nicht viel. Die Sterne und die schmale Sichel des Mondes gaben kaum Licht, und schüttere Wäldchen aus mannshohem Buschwerk erschwerten die Suche zusätzlich. Wann musste sie die Straße hinter sich lassen und nach Osten gehen? War sie vielleicht schon zu weit? Gerade, als sie den Mut verlieren wollte, stieß Marus Fuß auf etwas Erstaunliches – einen geglätteten Stein! Sie bückte sich und betastete ihn. Daneben lag ein zweiter, beide waren nur grob behauen und mit Flechten überzogen, doch als Maru auch noch einen dritten Stein fühlte, war sie sicher: Es war eine Straße. Hier hatten Menschen einen Weg angelegt und gepflastert. Die Steine waren überwuchert von rauem Gras, moosbewachsen und teilweise im weichen Boden versunken, aber es war eine Straße. Alt, sehr alt und sicher nur selten genutzt, aber sie führte nach Osten, und Maru hatte nicht die leisesten Zweifel, wo sie enden würde. Als sie erst einmal wusste, dass es diesen Weg gab, war es leicht, ihm zu folgen. Er zeichnete sich als kaum wahrnehmbarer fahler Streifen im Moorland ab. Jetzt kam sie schnell voran. Maru stellte sich vor, wie die alten Dhanier über diesen Weg ihre Herrscher zu Grabe getragen hatten, in langen würdevollen Trauerzügen. Und jetzt ruhten diese Fürsten mit ihren Schätzen in kalten Gräbern. Sie musste
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