Die Tochter des Magiers
die Rundung ihrer Brüste. »Nur
beruflich?«
»Ja. Allerdings habe ich zugegebenermaßen auch ein
persönliches Interesse an ihnen.« Nachdem sie ihm einen Kuß gegeben
hatte, setzte sie sich wieder auf den Boden. »Wie ist es nun mit
Gläsern – und einem Korkenzieher?«
Er stand auf, um in die Küche zu gehen. »Zieh dir inzwischen
besser ein trockenes Hemd über. Du tropfst sonst noch den ganzen
Kartoffelsalat voll.«
»Nur keine Sorge.« Das durchweichte T-Shirt landete klatschend
einen Schritt hinter ihm auf dem Fußboden. Luke grinste, und seine
Anspannung löste sich. Scheint ein interessantes Picknick zu werden,
dachte er. Hühnchen, Kartoffelsalat und eine nasse, halbnackte Frau.
»Ich liebe praktisch veranlagte Frauen.«
Es war dunkel, die Luft war schwer, und es
stank nach Schweiß. Von vier Seiten umgaben ihn Wände, und die Decke
hing so tief herab wie der Deckel eines Sargs.
Es gab keine Tür, kein Schloß, kein Licht.
Er wußte, daß er nackt war. Die drückende Hitze lastete auf
ihm wie ein tonnenschweres Gewicht. Etwas lief über ihn hinweg. Eine
entsetzliche Sekunde lang befürchtete er, es seien Spinnen. Aber es war
nur ein Rinnsal Schweiß.
Er versuchte ganz, ganz still zu sein, doch sein angestrengtes
Atmen hallte förmlich von den Wänden wider.
Sie würden kommen, wenn er nicht still war.
Aber er konnte nichts dagegen machen, daß sein Herz so panisch
in seiner Brust donnerte, und immer wieder ein ersticktes Keuchen aus
seiner Kehle drang.
Seine Hände waren gefesselt. Das Seil schnitt in seine
Gelenke, als er daran zerrte, um sich zu befreien. Er roch Blut und
schmeckte seine Tränen. In seinen abgeschürften Handgelenken brannte
der Schweiß wie Feuer.
Er mußte raus. Irgendwie mußte er entkommen. Aber es gab keine
Falltür, keinen kunstvollen Mechanismus, kein geheimes Brett, das bei
seiner Berührung zur Seite gleiten würde.
Er war ja nur ein Kind. Und es war so schwer zu denken, so
schwer, stark zu sein. Der Schweiß erstarrte zu kleinen Eiskristallen
auf seiner Haut, als er plötzlich merkte, daß er nicht allein in der
Kiste war. Er hörte das erregte Atmen dicht neben sich, roch den sauren
Gestank nach Gin.
Er heulte auf wie ein Wolf, als die Hände ihn packten, warf
sich hin und her, zuckte, bäumte sich auf.
»Du tust gefälligst, was man dir gesagt hat. Du tust, was man
dir gesagte hat, du kleiner Dreckskerl.«
Ein Gürtel sauste zischend auf ihn herab, er fuhr schreiend
hoch, und einen Moment lang sah er nichts als Dunkelheit.
Auf seiner Haut brannte noch der Gürtelhieb – und
dann griff jemand nach ihm.
Mit geballten Fäusten und gefletschten Zähnen zuckte er
zurück – und schaute in Roxannes verblüfftes Gesicht.
»Du hattest einen Alptraum«, sagte sie ruhig, obwohl ihr das
Herz bis zum Hals schlug. Er sah aus, als sei er nicht bei Sinnen. »Es
war bloß ein Traum, Luke. Aber jetzt ist es vorbei.«
Allmählich fand er sich wieder in der Wirklichkeit zurück und
schloß stöhnend die Augen. Sie spürte sein Zittern, als sie ihn
vorsichtig an der Schulter berührte. »Du hast um dich geschlagen. Ich
konnte dich gar nicht wach bekommen.«
»Tut mir leid.« Fahrig rieb er sich mit der Hand über das
Gesicht.
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.« Sanft strich sie
ihm das schweißfeuchte Haar aus der Stirn.
Er griff nach der Flasche und trank einenSchluck
Wein.
»Erzählst du's mir?«
Er schüttelte nur den Kopf. Es gab Dinge, die er niemandem
erzählen konnte, nicht einmal ihr. »Es ist vorbei.«
In seiner Wange zuckte ein nervöser Muskel. Roxanne strich
behutsam mit einem Finger darüber.
»Soll ich dir ein Glas Wasser holen?«
»Nein.« Er griff nach ihrer Hand, ehe sie aufstehen konnte,
und hielt sie so fest, als könne er esnicht einmal
ertragen, wenn sie nur ins nächste Zimmer ginge. »Bleib einfach bei
mir, okay?«
»Okay.« Sie schlang ihre Arme um ihn.
Ihre Nähe vertrieb die letzten Reste des Alptraums.
Sehnsüchtig vergrub er sein Gesicht an ihrer Schulter. »Es regnet immer
noch«, murmelte er.
»Hmm.« Sie streichelte seinen Rücken, der die Spuren der alten
Narben trug. »Ich habe das Geräusch gern, und wenn das Licht so sanft
ist und die Luft so schwer, ist esnoch schöner.«
Er schaute nach draußen und sah vor der Terrassentür die
leuchtenden Geranien, die sich standhaft gegen das Unwetter behauptet
hatten. »Ich habe rote Blumen immer am liebsten gehabt, ohne eigentlich
zu wissen, warum. Dann habe ich eines Tages
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