Die Tochter des Magiers
hergeschickt hat, damit …«
»Niemand hat mich hergeschickt. Auch mir ist Callahan etwas
schuldig geblieben. Sie könnten mir ein wenig behilflich sein.« Sam
griff in seine Tasche und zog einen Umschlag heraus. Cobb griff danach
und glotzte auf die fünfhundert Dollar in gebrauchten Zwanzigern.
»Was wollen Sie dafür?«
»Befriedigung. Ich habe an folgendes gedacht …«
Und so hatte Cobb seine Reise nach New Orleans unternommen.
Leider hatten die Erpressungen nicht die erhoffte Wirkung
gezeigt. Kommentarlos zahlte Luke die geforderten dreißig- oder
vierzigtausend im Jahr. Da Sam sich genau darüber informiert hatte,
welches Einkommen Luke jährlich versteuerte, wollte er nun den Einsatz
erhöhen. Wenn Luke nach New Orleans zurückkehrte, würde dort schon eine
schlichte weiße Postkarte auf ihn warten. Diesmal lautete die Zahl
darauf zehntausend.
Nach einigen solcher Zahlungen mußte er zweifellos am Ende
sein.
Wütend zerknüllte Luke die weiße Karte in
der Faust und warf sie quer durch den Raum.
Zehntausend Dollar. Aber nicht die Summe an sich versetzte ihn
in Panik, denn Geld hatte er genug und konnte sich leicht mehr
verschaffen. Es war die Erkenntnis, daß Cobb erstens nie Ruhe geben
würde und zweitens immer habgieriger wurde.
Das nächste Mal konnten es zwanzigtausend oder dreißigtausend
sein.
Soll der Dreckskerl doch zu den Zeitungsfritzen gehen, dachte
er. Was scherten ihn irgendwelche miesen Schlagzeilen.
D IE S CHRECKLICHE K INDHEIT D ES M EISTERZAUBERERS
Na und?
H EUTE E NTFESSELUNGSKÜNSTLER ,
FRÜHER S TRICHER
Und wenn schon!
D IE P ERVERSE D REIECKSBEZIEHUNG DER N OUVELLES Zauberer hat Affäre mit Lehrmeister
und dessen Tochter
O Gott. Luke rieb sich mit den Händen über
das Gesicht und versuchte nachzudenken. Er hatte ein Recht auf sein
Leben, verdammt! Das Leben, das er sich Stück für Stück erkämpft hatte,
seit er aus dieser verkommenen Wohnung weggelaufen war – mit
zerschlagenem Rücken und gequält von dem Gedanken an das Vergangene.
Er könnte es nicht ertragen, wenn das alles ans Licht gezerrt
würde. Er wollte nicht hilflos zusehen müssen, wie die einzigen
Menschen, die er je geliebt hatte, mit diesem Dreck besudelt wurden.
Und trotzdem geriet er jedesmal ein Stück tiefer in den Sumpf, wenn er
brav auf diese Postkarten antwortete.
Es gab natürlich eine Alternative, über die er bisher nicht
nachzudenken gewagt hatte. Luke nahm eine Teetasse und betrachtete das
zierliche Veilchenmuster auf dem cremefarbenen Porzellan. Geträumt
hatte er davon, aber nie ernsthaft darüber nachgedacht. Er konnte nach
Miami fliegen, Cobb aus seinem Loch locken und endlich das tun, wonach
er sich jedesmal gesehnt hatte, wenn der Gürtel auf seinen Rücken
geklatscht war. Er konnte ihn töten.
Die Tasse zerbrach in seiner Hand, aber Luke rührte sich
nicht, obwohl das Blut aus der Wunde quoll. Dieses Bild hypnotisierte
ihn förmlich.
Ja, er konnte ihn töten.
Ein Klopfen an der Tür brachte ihn abrupt in die Wirklichkeit
zurück, daß er Mühe hatte, seine Gedanken abzuschütteln, als er öffnete.
»Hallo!« Roxannes Haar war tropfnaß, und das T-Shirt klebte an
ihrem Körper. Sie duftete so wunderbar wie eine regennasse Sommerwiese.
»Wie wär's, hättest du Lust auf ein Picknick?« fragte sie und küßte ihn.
»Ein Picknick?« Nachdem er die Tür hinter ihr geschlossen
hatte, deutete er auf den strömenden Regen draußen vor dem Fenster. »Na
ja, ich nehme an, bei einem solchen Wetter gibt es wenigstens keine
Ameisen.«
»Gegrillte Hähnchenschenkel«, sagte sie und hielt eine
Pappschachtel hoch.
»Ach ja?«
»Und außerdem habe ich eine große Schüssel von LeClercs
Kartoffelsalat aus dem Kühlschrank stibitzt. Dazu gibt es einen guten
weißen Bordeaux.«
»Mir scheint, du hast an alles gedacht. Außer an den
Nachtisch.«
Mit einem verschmitzten Blick kniete sie sich auf den Teppich.
»Oh, daran habe ich auch gedacht. Hol du uns erst mal ein paar Gläser
und … was ist das denn?« Sie hob eine zerbrochene
Porzellanscherbe hoch.
»Ich – ich hab eine Tasse zerbrochen.«
Als er sich bückte, um die Scherben aufzulesen, sah sie das
Blut auf seiner Hand. »Was hast du gemacht?« Mit dem Saum ihrer Bluse
tupfte sie es hastig weg.
»Nur ein Kratzer, Frau Doktor.«
»Mach keine Witze.« Aber sie sah mit Erleichterung, daß es
wirklich nur eine kleine Wunde war. »Deine Hände sind immerhin einiges
wert – beruflich, meine ich.«
Er strich mit einem Finger über
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