Die Tochter des Magiers
aber die Sache
schien ihr nicht besonders komisch. »Du kommst auf Ideen! Wenn man
schwanger ist, wird einem nicht am Nachmittag übel.«
»Eigentlich nicht.« Trotzdem fragte Lily sicherheitshalber:
»Ist mal eine Periode ausgeblieben?«
Roxanne bekämpfte den ersten Anflug von Panik, doch noch ein
anderes Gefühl stieg in ihr auf – eine leise, ganz zarte
Freude. »Ich bin ein wenig überfällig, das ist alles.«
»Wie lange?«
Roxanne zupfte unsicher an der Bettdecke. »Ein paar
Wochen … drei vielleicht.«
»O Schätzchen!« Lily war außer sich vor Entzücken. »Ein Baby!«
»Jetzt mach mich bloß nicht verrückt.« Vorsichtig legte
Roxanne eine Hand auf ihren Bauch. Wenn dort drinnen ein Baby war, dann
war es ein ziemlich gemeines Geschöpf. Unwillkürlich mußte sie lachen.
Bei einem Vater wie Luke konnte sie eigentlich kaum ein sanftmütiges,
stilles Wesen erwarten.
»Besorg' dir doch einen Schwangerschaftstest. Dann weißt du
wenigstens Bescheid. Das wird Luke einfach umhauen.«
»Wir haben nie über dieses Thema gesprochen.« Plötzlich
überkam sie die Angst. »Lily, wir haben nie über Kinder gesprochen. Er
will vielleicht gar keine …«
»Sei nicht albern. Er liebt dich. Du bleibst jetzt liegen, und
ich hole dir ein Glas Milch.«
»Besser Tee. Ich glaube, etwas Tee könnte ich bei mir
behalten – und ein paar Plätzchen vielleicht.«
»Keine Gelüste auf Erdbeeren und saure Gurken?« Sie kicherte,
als Roxanne nur angewidert stöhnte. »Entschuldige, Schatz, aber ich bin
so aufgeregt. Bin gleich wieder da.«
Ein Baby, dachte Roxanne. Warum hatte sie nicht daran gedacht,
daß sie schwanger sein könnte? Oder hatte sie den Gedanken nur
verdrängt? Seufzend drehte sie sich auf die Seite. Eigentlich war sie
nicht besonders überrascht, und obwohl sie sich einbildete, regelmäßig
die Pille genommen zu haben, tat es ihr auch nicht leid.
Lukes Baby. Was würde er dazu sagen? Wie würde er sich fühlen?
Es gab nur einen Weg, es zu erfahren. Sie mußte ihn finden.
Entschlossen griff sie nach dem Telefon neben dem Bett und wählte.
Als Lily etwas später mit dem Tee, trockenem Toast und einer
rosafarbenen Rosenknospe zurückkehrte, lag Roxanne wieder auf dem
Rücken und starrte mit leerem Blick an die Decke.
»Er ist weg, Lily.«
»Wer?«
»Luke ist weg.« Sie richtete sich auf und schaute sie
verzweifelt an. »Ich habe den Flughafen angerufen. Er ist heute morgen
um fünf nach halb zehn in Tennessee gestartet.«
»Um halb zehn?« Lily stellte das Tablett auf die Kommode.
»Aber jetzt ist es schon nach zwölf. Man braucht doch bloß eine Stunde
bis nach New Orleans.«
»Er hat als Zielort nicht New Orleans angegeben. Ich mußte all
meine Überredungskünste aufbieten, um seinen Flugplan zu erfahren, aber
ich habe esgeschafft.«
»Was meinst du damit, daß er nicht nach New Orleans wollte?
Natürlich wollte er das.«
»Mexiko«, flüsterte Roxanne. »Er ist unterwegs nach Mexiko.«
Zweierlei wußte Roxanne am nächsten Morgen
mit Sicherheit – erstens, daß sie wirklich schwanger war und
zweitens, daß ein Mann tatsächlich spurlos vom Erdboden verschwinden
konnte. Aber alles, was verschwinden konnte, ließ sich auch wieder
herbeizaubern. Sie war nicht umsonst eine Zauberin in der zweiten
Generation.
Sie schloß gerade ihre Reisetasche, als es klingelte. Luke!
Das war ihr erster Gedanke. Sie stürmte aus dem Schlafzimmer zur
Haustür.
»Wo bist du … o Mouse.«
»Entschuldige, Roxy«, sagte er sichtlich betreten.
»Schon gut«, lächelte sie mühsam. »Hör mal, ich bin praktisch
schon weg.«
»Weiß ich. Lily hat gesagt, daß du nach Mexiko willst, um Luke
zu suchen. Ich komme mit.«
»Das ist nett von dir, Mouse, aber es geht schon.«
»Ich komme mit.« Er war vielleicht ein wenig schwerfällig,
aber auch genauso hartnäckig, wenn es nötig war. »Du sollst nicht
allein … in deinem Zustand …«, stotterte er und wurde
blutrot im Gesicht.
»Lily strickt also schon Schühchen, was?« meinte sie
kopfschüttelnd. »Mouse, es gibt keine Grund, sich Sorgen zu machen. Ich
weiß, was ich tue, und die Tatsache, daß ich etwas mit mir
herumschleppe, das so groß ist wie ein Stecknadelkopf, ist kein
Hinderungsgrund.«
»Ich kümmere mich um dich. Das würde Luke von mir erwarten.«
»Wenn Luke so verdammt besorgt wäre, wäre er nicht in Mexiko«,
fauchte sie. Es tat ihr sofort leid, als sie Mouses betroffenes Gesicht
sah. »Entschuldige. Ich glaube, wenn man schwanger ist
Weitere Kostenlose Bücher