Die Tochter des Magiers
Make-up zu überprüfen. In Wirklichkeit versuchte sie
mit Hilfe des Spiegels zu sehen, ob Luke irgendwo im Hintergrund stand.
»Biete ruhig auf alles, was dir gefällt.«
»Ich habe solch einen schlechten Geschmack.«
»Nein, du hast nur deinen eigenen Geschmack. Und der ist genau
richtig.« Roxanne unterdrückte ihre Unruhe. Luke war nirgends zu
entdecken. Sie klappte die Puderdose wieder zu. »Warum sollen wir uns
nicht ein bißchen Spaß gönnen, solange wir gleichzeitig unsere Aufgabe
erledigen?«
»Wenn du meinst?« Lily schlug die Beine übereinander und zog
einige bewundernde Männerblicke auf sich.
Es herrschte lebhaftes Stimmengewirr, während weitere Besucher
hereinströmten und ihre Plätze einnahmen. Vor den Sitzreihen stand das
Pult des Auktionators und ein langer mit Leinen drapierter Tisch, den
zwei uniformierte und bewaffnete Wachleute flankierten. Daneben stand
ein Louis-XIV-Schreibtisch mit einem Telefon, einem Computer,
schriftlichen Unterlagen und zahlreichen Notizblocks, da man auch mit
telefonischen Geboten rechnete.
Roxanne blätterte durch den dicken Hochglanzkatalog und machte
sich wie viele andere Besucher Notizen.
»Oh, sieh nur diese Lampe!« rief Lily begeistert. Mehrere
Köpfe drehten sich nach ihnen um. »Das wäre doch genau das richtige für
unser Wohnzimmer.«
Roxanne musterte das Foto dieses Jugendstilungetüms und
lächelte. Typisch Lily. »Stimmt.«
Der Auktionator, ein kleiner rundlicher Mann in einem grauen
Nadelstreifenanzug, nahm seinen Platz ein.
Vorhang auf, dachte Roxanne und lehnte sich zurück, um auf ihr
Stichwort zu warten.
Die Versteigerung begann mit einigen Illustrationen und
Antiquitäten. Es wurde zügig geboten, und gelegentlich war jemand kühn
genug, sein Gebot laut herauszurufen, statt die numerierte Karte
hochzuheben.
Roxanne begann, die Veranstaltung zu genießen.
Einige rissen ihre Karten in die Höhe, andere wedelten lässig
damit, als sei es ihnen kaum der Mühe wert, mehrere tausend Dollar zu
bieten. Manche grunzten, manche husteten, manche hoben einen Finger.
Der Auktionator kannte sich mit den unterschiedlichen Signalen aus und
erledigte seine Aufgabe souverän.
»Oh, sieh mal!« Lily war entzückt über die prunkvolle, mit
Schnitzereien verzierte hohe Kommode, die ungefähr aus dem Jahre 1815
stammte und gerade von zwei kräftigen Männern hereingerollt wurde. »Ist
doch wirklich hübsch, Schatz. Sie würde genau ins Kinderzimmer von
Mouse und Alice passen.«
Roxanne hatte sich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnt,
daß Mouse demnächst Vater wurde. »Na, ja …« Dieses protzige
Möbelstück gehörte entweder in ein Schloß – oder in ein
Bordell. Aber Lily war so hingerissen, daß Roxanne es nicht übers Herz
brachte, etwas einzuwenden. »Ich glaube, du hast recht«, erwiderte sie
und hoffte, daß die beiden ihr verziehen.
Lily winkte bereits mit ihrer Karte, noch ehe die Beschreibung
vollständig verlesen worden war. Einige Besucher lachten leise.
Der Auktionator nickte ihr wohlwollend zu. »Die Dame eröffnet
mit eintausend. Höre ich zwölfhundert?«
Lily begleitete jedes Gebot mit einem Keuchen und winkte
eifrig mit ihrer Karte. Vor Aufregung packte sie nach dem Arm des
Mannes, der neben ihr saß, und zweimal überbot sie sich sogar selbst.
Alles in allem erregte sie die Aufmerksamkeit sämtlicher Anwesenden.
»Für dreitausendreihundert Dollar an Nummer acht.«
»Nummer acht.« Lily drehte ihre Karte um und jubelte, als sie
die Zahl las. »Oh, das war aufregend«, rief sie und klatschte in die
Hände.
Roxanne gefiel eine Art-deco-Skulptur besonders. Sie errötete
vor Stolz, als sie für zweitausendsiebenhundertfünfzig Dollar den
Zuschlag erhielt.
»Uns hat das Auktionsfieber erwischt«, flüsterte sie Lily ein
wenig verlegen zu. »Das ist richtig ansteckend.«
»Das müssen wir öfter machen.«
Im Laufe des Nachmittags verließen einige Besucher den Raum,
da sie nur an bestimmten Stücken interessiert gewesen waren und es
nicht geschafft hatten, sie zu ersteigern. Dafür kamen andere herein.
Die ersten Schmuckstücke wurden versteigert. Ein Halsband aus Saphiren,
Zitrinen, Smaragden und Diamanten machte den Anfang. Roxannes Herz
begann zu klopfen.
»Ist das aber elegant«, flüsterte Lily hörbar. »Richtig
traumhaft.«
»Na ja. Die Saphire sind ein bißchen zu dunkel für meinen
Geschmack.« Sie wußte, daß sie aus Glas waren und ihre Farbe dem
untergemischten Kobaltoxyd verdankten.
Roxanne bot auf mehrere
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