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Die Tochter des Magiers

Die Tochter des Magiers

Titel: Die Tochter des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Sie meinen Hut wieder in eine normale Größe
zurückverwandelten.«
    »Ich?« Max tat entrüstet. »Beschuldigen Sie mich etwa, ich
wolle Ihnen durch Zauberei den Abend mit Lily verderben?«
    »Jawohl, verdammt noch mal.« Es waren nicht ganz die Worte,
die sie einstudiert hatten, aber das machte nichts. Luke war in seinem
Element. Er schlenderte über die Bühne und tippte gegen die Hutkrempe.
»Los, Beeilung.«
    »Nun gut.« Mit einem Seufzer über die ungehobelten Manieren
des Jungen deutete Max einladend auf den Hut. »Wenn Sie so freundlich
wären, einzusteigen?« Er lächelte, als Luke ihn skeptisch beäugte.
    »Okay, aber keine krummen Sachen.« Gewandt hüpfte Luke hinein.
»Mit mir nicht, das sage ich Ihnen.«
    Doch sobald sein Kopf unterhalb der Hutkrempe verschwunden
war, hob Max den Zauberstab. »Und eins, zwei, drei – eine
hübsche Zauberei.« Er griff in den Hut und zog ein weißes Kaninchen
heraus. Während das Publikum brüllend Beifall klatschte, kippte Max den
Hut um, damit alle sehen konnten, daß er leer war. »Ich bezweifle, daß
Lily jetzt noch Interesse an einem Abend mit ihm hat.«
    Auf ihr Stichwort erschien Lily und kreischte entsetzt beim
Anblick des zappelnden Kaninchens, das Max in der Hand hielt. »Nicht
schon wieder!« Mit ärgerlichem Gesicht wandte sie sich ans Publikum.
»Das ist schon das vierte Kaninchen in diesem Monat. Ich sage Ihnen,
meine Damen, fangen Sie bloß nie was mit einem eifersüchtigen Zauberer
an.« Gelächter ertönte, und sie wandte sich an Max. »Verwandle ihn
sofort zurück.«
    »Aber Lily …«
    »Verwandle ihn auf der Stelle zurück!« Sie stemmte die Hände
in die Hüften. »Sonst bin ich mit dir fertig.«
    »Nun gut.« Widerstrebend steckte Max das Kaninchen zurück in
den Hut und tippte zweimal mit seinem Stab an die Krempe. Luke sprang
mit wutverzerrtem Gesicht heraus.
    Das Publikum applaudierte begeistert, als Luke mit erhobenen
Fäusten auf Max zuging, und alle lachten lauthals, als hinten an seinem
Frack der weiße Schwanz sichtbar wurde. Luke hatte rasch begriffen, wie
man den Applaus ein wenig herauskitzelte. Mit gerecktem Hals drehte er
sich dreimal im Kreis, bemüht, einen Blick auf sein Hinterteil zu
erhaschen.
    »Tja, so kann es gehen«, sagte Max, nachdem sich die Zuschauer
etwas beruhigt hatten. »Aber um zu zeigen, daß ich nicht nachtragend
bin, lasse ich ihn wieder verschwinden.«
    Lily schmollte. »Versprochen?«
    »Mein Ehrenwort.« Max riß sein Cape herunter, warf es über
Luke und strich mit seinem Zauberstab über die verdeckte Gestalt.
Während das Cape zu Boden sank, faßte er danach und riß es mit Schwung
hoch.
    »Max!« keuchte Lily entsetzt.
    »Ich habe Wort gehalten«, erklärte er mit einer tiefen
Verbeugung vor ihr. »Der Schwanz ist weg. Aber der überhebliche Kerl
auch.«
    Mittlerweile stand Luke schon wie angewurzelt hinter den
Kulissen. Sie applaudierten. Sie jubelten. Und es galt ihm. Er beugte
sich vor und sah zu Max, der sich gerade bereit machte, Lily zu
zersägen.
    Nur für einen Sekundenbruchteil trafen sich ihre Blicke. Aber
er sah die Freude und ein solches Verständnis in den Augen des anderen,
daß Luke die Kehle eng wurde.
    Zum erstenmal in seinem Leben begann er,einen
Mann zu lieben. Und er empfand keine Spur von Scham dabei.
    Die letzte Vorstellung war schon lange
vorbei, aber in seinen Ohren hallte immer noch der Applaus und das
Gelächter wider, wie ein altbekanntes Lied, dessen Melodie man nicht
mehr aus dem Sinn bekommt.
    Er war jemand gewesen. Für einige kurze Augenblicke war er
jemand von wirklicher Bedeutung gewesen. Vor Dutzenden verblüffter
Zuschauer war er verschwunden.
    Und sie hatten es tatsächlich geglaubt.
    Das ist das Geheimnis, dachte Luke, während er an den müden
Ausrufern vorbeischlenderte, die den wenigen späten Besuchern ihre
Sprüche entgegenriefen. Menschen glauben zu lassen, daß eine Illusion
Wirklichkeit ist, und sei es nur für ein paar Sekunden – das
ist Macht, echte Macht, weitaus größere, als wenn man andere mit seinen
Fäusten einschüchterte. Luke war so erfüllt von diesem Machtgefühl, daß
er meinte, der Kopf müsse ihm zerspringen.
    Max würde es sicher verstehen, aber er wollte diesen
wunderbaren Rausch heute, an seinem ersten Abend, lieber ganz allein
genießen.
    Die zehn Dollar, die Max ihm nach der letzten Vorstellung
gegeben hatte, knisterten in seiner Hand. Er schaute auf die wirbelnden
Lichter des Riesenrads und hörte das Rumpeln der Wagen, die über

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