Die Tochter des Magiers
an.«
»Wenn du bei uns bleibst, doch. Ich weiß auch alles über Mouse
und Lily und LeClerc.«
»Wer ist denn LeClerc?«
»Er kocht in New Orleans für uns und hilft Daddy bei den
Kabarettnummern. Er hat früher Banken ausgeraubt.«
»Echt?«
Roxanne nickte, zufrieden über sein neugieriges Gesicht. »Er
ist im Gefängnis gewesen, weil er erwischt wurde. Er hat Daddy
beigebracht, wie man jedes Schloß auf der Welt aufkriegt.« Sie merkte,
daß sie vom Thema abkam. Deshalb sagte sie rasch: »Also, jetzt muß ich
auch alles über dich wissen. Das ist nur gerecht.«
»Ich habe noch nicht gesagt, daß ich bleibe. Ich habe eigene
Pläne.«
»Du bleibst bestimmt. Daddy will es und Lily auch. Wenn du was
lernen willst, bringt Daddy dir das Zaubern bei, genau wie mir. Nur bin
ich bestimmt besser als du.« Sie überhörte sein abfälliges Schnauben.
»Das ist mal sicher.«
»Werden wir ja sehen«, murmelte er, während das Riesenrad
abermals nach oben stieg. Er hielt sein Gesicht in den Wind. Und er
hatte das Gefühl, daß alles, was er heute abend erlebt hatte, nichts
war im Vergleich mit dem, was noch kommen würde.
FÜNFTES
KAPITEL
L ukes erster Eindruck von New Orleans war
ein kunterbuntes Durcheinander von Geräuschen und Gerüchen. Max, Lily
und Roxanne schliefen im Wohnwagen. Er hatte sich jedoch in der
Fahrerkabine des Lasters zusammengerollt und war allmählich eingedöst,
da Mouse die ganze Zeit nur tonlos vor sich hin gesummt hatte. Luke
hatte ihn zu überreden versucht, das Radio anzumachen, aber Mouse war
stur geblieben. Er wollte sich durch nichts in dem Vergnügen stören
lassen, seinem Motor zu lauschen.
Nun aber drangen andere Laute an Lukes Ohr, hohe Stimmen und
schreiendes Gelächter, das scheppernde Röhren von Saxophonen,
Trompetengeschmetter und Trommelschläge. Im ersten Moment glaubte er,
sie seien wieder auf dem Rummelplatz. Es roch nach fremden Gewürzen und
irgendwelchen Speisen, doch über allem lag der Gestank nach Abfall, der
in der Hitze verrottete.
Gähnend öffnete er die Augen und schaute blinzelnd aus dem
Fenster.
Unzählige Menschen strömten durch die Straßen. Er entdeckte
einen Jongleur, der wie Jesus aussah und orangefarbene Bälle in die
Luft warf, die in der Dunkelheit leuchteten. Eine ungeheuer dicke Frau
in einem blumengemusterten Muumuu tanzte ganz allein zu den Klängen
eines Dixies, die aus einer offenen Tür drangen.
Der Zirkus ist scheinbar in der Stadt, dachte Luke und setzte
sich auf.
Doch dann sah er, daß sie gar nicht mehr mit den anderen
unterwegs waren, sondern sich mitten auf einem viel größeren
Rummelplatz befanden. Einem, der stets an Ort und Stelle blieb.
»Wo sind wir?«
»Daheim«, erwiderte Mouse schlicht.
Luke hätte nicht sagen können, warum das Wort ihn zum Grinsen
brachte.
Die Musik wurde allmählich leiser, die Straßen stiller. Im
flackernden Licht der Laternen sah er alte Backsteinhäuser, üppig
bepflanzte Balkone und Gestalten, die in Hauseingängen zusammengerollt
schliefen.
Er begriff nicht, wie irgend jemand bei all der Musik, den
Gerüchen, der unglaublichen Hitze schlafen konnte. Seine Müdigkeit war
wie weggeblasen, und das Schneckentempo, in dem Mouse dahinschlich,
machte ihn immer ungeduldiger.
Luke wollte endlich ans Ziel kommen. Wo auch immer das war.
»Mensch, Mouse, wenn du noch langsamer kriechst, fahren wir
gleich rückwärts.«
»Immer mit der Ruhe.« Mouse stoppte zu Lukes Verblüffung
mitten auf der Straße und stieg aus.
»Was hast du vor?« Luke kletterte ebenfalls aus der Kabine.
Mouse stand bereits an einem offenen schmiedeeisernen Tor. »Du kannst
das Ding nicht mitten auf der Straße abstellen. Das lockt doch bloß die
Bullen an.«
»Will nur meine Erinnerung auffrischen.« Mouse strich sich
versonnen übers Kinn. »Muß rückwärts rein.«
»Hier?« Luke riß die Augen auf. »Hier willst du rückwärts
reinfahren?« Ungläubig musterte er das Tor und anschließend die Breite
des Wohnwagens. »Das geht nie im Leben.«
Mouse lächelte, und seine Augen funkelten vor Freude. »Du
bleibst da stehen, falls ich dich brauche.« Er schlenderte zurück zum
Laster.
»Das klappt nie«, rief Luke ihm nach.
Aber Mouse begann bereits, leise vor sich hinsummend den
Laster samt Wohnwagen über die schmale Straße zu manövrieren.
Mit offenstehendem Mund beobachtete Luke, wie der schwarze
Anhänger sicher wie auf Schienen durch die Öffnung glitt.
Mouse blinzelte Luke aus dem Laster zu.
Das war absolute
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