Die Tochter des Magiers
Junge hat
was drauf, aus dem wird was, Max. Das ist sicher.«
Luke strahlte über das Kompliment. Aber es war nichts, gar
nichts verglichen damit, daß Max lachte.
»Na bitte.« Max legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Das war
eine gekonnte Vorstellung. Mal sehen, ob wir es in die Nummer einbauen
können.«
Luke starrte ihn mit offenem Mund an. »Im Ernst?«
Max zauste ihm das Haar und freute sich, daß Luke nicht
zurückschreckte. »Im Ernst.«
Es war nur eine kurze Fahrt von New Orleans
nach Lafayette. Mouse saß am Steuer der dunklen Limousine, während Max
entspannt die Augen schloß und sich mental vorbereitete. Zwischen einem
Diebstahl und einem Auftritt auf der Bühne bestand kein besonders
großer Unterschied, jedenfalls für ihn nicht. Als er vor vielen, vielen
Jahren damit begonnen hatte, konnte er diese beiden Talente gut
miteinander verbinden. Damals war es eine Sache des Überlebens gewesen.
Jetzt, da er älter und reifer war, achtete er darauf, strikt
zwischen den beiden Tätigkeiten zu trennen. Auch das war eine Sache des
Überlebens. Da sein Name immer bekannter wurde, wäre es in höchstem
Maße leichtsinnig, sein Publikum zu bestehlen.
Und Max war kein leichtsinniger Mensch.
Er war in materieller Hinsicht zwar mittlerweile nicht mehr
auf Diebestouren angewiesen, doch es war schwierig, diese alte
Gewohnheit, die er so perfekt beherrschte, abzulegen. Und vor allem
machte ihm das Stehlen einfach Freude. Früher war es für ihn, der als
Kind ohne Liebe aufgewachsen, mißbraucht und ausgesetzt worden war,
eine Möglichkeit gewesen, sich zu beweisen, daß er dennoch eine gewisse
Macht besaß.
Heute war es eine Sache des Stolzes.
Er war ganz einfach einer der Besten in diesem Metier. Und er
suchte sich seine Opfer wohlüberlegt aus. Es waren stets Menschen,
denen ein Verlust nicht weh tat.
Es geschah selten, daß er in der Nähe seines Wohnorts tätig
wurde. Aber eine Ausnahme durfte er schon mal machen. Wenn er die Augen
schloß, konnte er das prachtvolle Halsband aus Aquamarinen und
Diamanten vor sich sehen – ein wahres Meisterstück. Persönlich
bevorzugte er feurige Edelsteine – Rubine oder Saphire, doch
darauf konnte er nicht immer Rücksicht nehmen. Falls seine
Informationen korrekt waren, würden diese Aquamarine ihm eine
beachtliche Summe einbringen.
LeClerc hatte bereits einen Käufer dafür.
Selbst nach Abzug des Zehnten und der Unkosten rechnete Max
damit, daß noch ein hübscher Batzen für Roxannes College-Sparbuch
übrigbleiben würde – und für das Sparbuch, das er kürzlich für
Luke angelegt hatte.
Er lächelte vor sich hin, da ihm die Ironie an der Sache nicht
entging – ein Dieb, der sich Gedanken um Sparbücher machte.
In den vielen mageren Jahren, die hinter ihm lagen, hatte er
gelernt, wie wichtig Erspartes war. Seine Kinder sollten niemals
hungern müssen und frei wählen können, welchen Weg sie einschlagen
wollten.
»Da sind wir, Max.«
Max öffnete die Augen und stellte fest, daß Mouse am
Bürgersteig angehalten hatte. Es war eine ruhige Wohngegend mit großen
eleganten Häusern, die geschützt hinter Bäumen und blühenden Sträuchern
lagen.
»Zeitvergleich.«
Mouse blickte auf die Uhr. »Zehn nach zwei.«
»Gut.«
»Die Alarmanlage ist wirklich ein Kinderspiel. Man muß bloß
die beiden roten Drähte durchschneiden. Aber wenn du willst, komme ich
mit und mache es für dich.«
»Danke, Mouse.« Max streifte sich dünne schwarze Handschuhe
über. »Ich glaube, das kann ich selbst. Wenn der Safe dort ist, wo
LeClerc gesagt hat, bin ich in sieben oder acht Minuten fertigt.
Erwarte mich also hier um Punkt halb drei. Wenn ich länger als fünf
Minuten über die Zeit bin, fährst du los.« Als Mouse nur brummte,
tippte ihm Max auf die Schulter. »Ich muß mich darauf verlassen können.«
»Du kommst zurück«, sagte Mouse und kauerte sich auf seinem
Sitz zusammen.
»Und wir werden um mehrere tausend Dollar reicher sein.« Max
stieg aus dem Wagen und verschwand in der Dunkelheit. Einen halben
Block weiter sprang er über eine niedrige Steinmauer. In dem
dreistöckigen Wohnhaus brannte nirgends Licht, aber er machte
sicherheitshalber eine Runde um das Gebäude, ehe er die Alarmbox
suchte. Dann schnitt er die roten Drähte durch. Mouse irrte sich nie.
Aus dem weichen Lederbeutel, der an seinem Gürtel befestigt
war, nahm er einen Glasschneider und einen Saugnapf. Wolken trieben vor
dem Mond und veränderten ständig die Lichtverhältnisse, aber er
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