Die Tochter des Magiers
»Gar nichts.«
»Warum schläfst du hier draußen?«
Sam blickte betreten zu Boden. »Hör zu, es wäre mir lieb, wenn
du niemandem was davon sagst, okay?«
»Hast du kein Zimmer?«
»Bin rausgeschmissen worden.« Er zuckte bemüht tapfer die
Schultern und schaute sie gleichzeitig niedergeschlagen an. »Na ja, es
wird sich schon was ergeben. Ich wollte einfach bloß nicht die ganze
Nacht draußen auf der Straße bleiben. Ich dachte, daß ich hier
niemanden stören würde.«
Roxanne hatte ein genauso weiches Herz wie ihr Vater. »Komm
schon rein.« Sie streckte die Hand aus. »LeClerc macht gerade
Frühstück.«
»Ich brauche keine Almosen.«
Sein Stolz imponierte ihr erst recht. »Daddy kann dir sicher
einen Job geben. Ich frage ihn.«
»Würdest du das machen?« Er nahm ihre Hand. »Mann, ich wäre
dir wirklich dankbar, Rox. Sehr sogar.«
ZWEITES
KAPITEL
M ax konnte seiner Tochter nur selten etwas
abschlagen, und so stellte er Sam Wyatt ein – trotz seines
unerklärlichen Widerstrebens, den Jungen in seinen Kreis aufzunehmen.
Sam erhielt den Auftrag, sich um die Requisiten zu kümmern, eine
Beschäftigung, die er als weit unter seiner Würde empfand und die
seinen Fähigkeiten nicht im geringsten entsprach.
Aber er spürte instinktiv, daß ihm ein Tor zu größeren und
wesentlich besseren Möglichkeiten geöffnet würde, wenn er zu den
Nouvelles gehörte. Er verachtete diese Trottel, die ihn so mitleidig
aufgenommen hatten, als sei er ein herrenloser Straßenköter. Aber Sam
konnte warten, bis sich die Gelegenheit ergab, aus dieser Gutmütigkeit
Kapital zu schlagen. Er verbrachte Stunden damit, die Ausrüstung auf
und abzubauen, hielt die Requisiten in Schuß und gelobte sich, es dem
alten Mann eines Tages heimzuzahlen, daß er ihm eine solch
erniedrigende Arbeit angeboten hatte. Doch nach außen war er stets
freundlich und aufmerksam, besonders Roxanne gegenüber, und Lily machte
er schüchterne Komplimente. Denn Sam hatte schon vor langer Zeit
entdeckt, daß die tatsächliche Macht stets bei den Frauen lag.
Er beging nicht den Fehler, mit Luke zu konkurrieren, den Max
wie seinen Sohn behandelte, aber der Haß auf Luke half ihm, die elend
langweiligen Tage zu überstehen. Luke dagegen machte aus seiner
Abneigung keinen Hehl. Keiner von ihnen hätte einen Grund dafür nennen
können, aber sie hatten sich auf den ersten Blick verabscheut. Und Sam
wartete nur darauf, Luke eines Tages einmal demütigen zu können.
Ansonsten war er mit seiner Situation leidlich zufrieden und
freute sich auf die bevorstehende Reise nach Los Angeles.
Auch Max dachte mit Vergnügen an diese Woche, in der sie im
Magic Castle auftreten würden. Außerdem waren sie von Brent Taylor, dem
Filmstar und Hobbyzauberer, zu einer Dinnerparty eingeladen worden, und
nicht zuletzt wollte Max seiner Familie etwas von der glitzernden Welt
Hollywoods zeigen.
Davon abgesehen gab es in den Villen von Beverly Hills viel zu
holen, wodurch dieses sowieso schon lukrative Engagement noch
einträglicher werden würde.
Er hatte sich bereits zwei Häuser ausgesucht. Sobald sie in
Los Angeles waren, würde er sie sich persönlich anschauen und dann eine
Entscheidung treffen.
Sie bezogen mehrere Zimmer im Beverly Hills Hotel. Max
beobachtete amüsiert, wie Luke den Hotelpagen und das Zimmermädchen mit
ein paar Taschenspielertricks begeisterte. Der Junge kann was, dachte
er zufrieden. Er kann sogar allerhand.
Mittags lud er seine Familie und sämtliche Mitglieder der
Truppe zu einem üppigen Lunch ins Maxim ein. Danach schickte er Lily
und Roxanne einkaufen.
»Also dann.« Max zündete sich eine Zigarre an. »Mouse und ich
müssen uns noch um einige geschäftliche Angelegenheiten kümmern, aber
ihr anderen habt für heute frei, um euch die Stadt anzusehen. Morgen
früh um neun sehe ich bitte alle froh und munter zur Probe wieder.«
Während die anderen gingen, setzte sich Luke auf den Platz
neben Max. »Ich muß mit dir reden.«
»Ja, bitte.« Max bemerkte die Nervosität und den
entschlossenen Gesichtsausdruck des Jungen. »Gibt es ein Problem?«
»Ich glaube nicht, daß es ein Problem ist.« Luke holte tief
Luft. »Ich will mitkommen.« Er fuhr fort, noch ehe Max etwas einwenden
konnte. Seit Tagen hatte er diese Rede vorbereitet. »Ich kenne den
Ablauf, Max. Du und Mouse zieht los, um euch ein paar Häuser anzusehen.
Das meiste, was du brauchst, hast du bereits – eine Kopie der
Versicherungsliste, den Schaltplan der Alarmanlage, den
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