Die Tochter des Magiers
hübsch,
selbstbewußt, mit verführerisch blitzenden Augen und einer
geheimnisvollen Ausstrahlung.
Und dann war sie einfach nur wiedersein
kleines Mädchen, das Stöckelschuhe trug und das Publikum mit den
Seidentüchern bezauberte. Wenig später lagen die Tücher zu ihren Füßen,
und sie wandte sich zu ihrem Vater um, der sie in Trance versetzte für
den folgenden Schwebeakt.
Leise Klaviermusik erklang, und Max bewegte langsam seine
Hände vor ihrem Gesicht auf und ab, bis ihre Augen zufielen.
Nachdem er einen mannshohen glitzernden Stab zwischen ihren
Schulterblättern plaziert hatte, ging er einen Schritt nach links,
streckte die Arme aus, und wie auf eine stummen Befehl begannen sich
ihre gestreckten Beine anzuheben, bis ihr Körper parallel zur Bühne
schwebte. Mit einem anderen Stab strich er über und unter ihrem Körper
hin und her. Als er den ersten Stab, der sie stützte, entfernte und
beide Lily übergab, applaudierte das Publikum heftig.
Zu den Klängen von Beethoven begann Roxanne sich nun zu drehen
und schwebte zuletzt in der Luft stehend einen halben Meter über der
Bühne. Zentimeter für Zentimeter ließ Max sie weiter sinken, bis ihre
Füße wieder den Bühnenboden berührten.
Dann weckte er sie auf.
Roxanne öffnete unter donnerndem Applaus die Augen. Schon
lange gab es für sie kein herrlicheres Geräusch.
»Hab dir's ja gesagt, Daddy«, flüsterte sie leise.
»Das hast du, meine Süße.«
Sam stand hinter der Bühne und schaute kopfschüttelnd zu.
Alles bloß Schwindel, dachte er. Doch am meisten ärgerte ihn, daß
niemand ihn in das Geheimnis einweihen wollte. Aber auch dafür würden
die Nouvelles einmal büßen.
Dabei mußte ihm seiner Ansicht nach nur mal jemand zeigen, wie
es funktionierte. Er würde es genauso leicht nachmachen können wie
jeden anderen Trick. Daß die Leute tatsächlich gutes Geld für diesen
Betrug zahlten, obwohl sie genau wußten, daß es nur alberne Tricks
waren, konnte er kaum fassen. Dieser Gedanke ließ ihn gar nicht mehr
los.
Es müßte einen Weg geben, irgendwie Profit daraus zu schlagen.
Er zündete sich eine Zigarette an und schaute Luke mißmutig bei seinem
Auftritt zu. Dieser verdammte Wichtigtuer hält sich für was ganz
Besonderes, dachte er, weil er dort im Scheinwerferlicht steht, die
Aufmerksamkeit auf sich zieht und alle ihm applaudieren.
Aber eines Tages würde er im Rampenlicht stehen und dieses
Gefühl der Macht genießen, davon war Sam überzeugt. Denn Macht über
andere war es, was Sam sich am meisten wünschte.
Nach Ende der Vorstellung suchte Brent Taylor, der bekannte
Schauspieler, Max in seiner Garderobe auf. »Mr. Nouvelle, ich habe noch
nie etwas Besseres gesehen.« Begeistert schüttelte er Max die Hand.
»Sie schmeicheln mir, Mr. Taylor.«
»Brent, bitte.«
»Brent, und nennen Sie mich Max. Es ist ein bißchen eng hier
drinnen, aber es wäre mir eine Ehre, wenn sie mir bei einem Brandy
Gesellschaft leisten würden.«
»Mit Vergnügen. Die Verwandlungsnummer war einfach wunderbar
und der Schwebeakt spektakulär. Ich freue mich schon auf meine
Dinnerparty, wo wir mehr Zeit haben werden, über Zauberei zu plaudern.«
»Darüber unterhalte ich mich stets besonders gern.« Er reichte
ihm einen Cognacschwenker.
»Und wir sollten auch über den Zauber sprechen, den das
Fernsehen auf die Menschen ausübt.«
»Ich habe leider wenig Gelegenheit, das Fernsehprogramm zu
verfolgen. Meine Kinder sind auf diesem Gebiet die Experten.«
»Und selbst bereits hervorragende Zauberkünstler. Ich könnte
mir denken, daß sie begeistert wären, ihr Können in einer eigenen
Fernsehshow zeigen zu dürfen.«
Max bedeutete Taylor, sich auf das kleine Sofa zu setzen und
nahm selbst vor dem Schminktisch Platz. »Die Zauberei verliert auf dem
Bildschirm ihre Magie.«
»Das kann natürlich sein. Aber bei Ihrem Gespür für Theatralik
könnte es wunderbar werden. Ich will ganz offen sein, Max. Ich habe von
einer Fernsehgesellschaft das Angebot bekommen, eine Serie von
Varietéshows zu produzieren, und da wäre natürlich eine Sendung mit dem
Großen Nouvelle der Knüller.«
»Max?« Luke schaute zur Tür herein. »Tut mir leid, aber
draußen ist ein Reporter von der L.A. Times.«
»Ich komme gleich. Brent Taylor, Luke Callahan.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen.« Taylor stand auf, um Luke
die Hand zu schütteln. »Sie sind schon jetzt ein Meister Ihres Fachs.
Ich habe Sie sehr bewundert.«
»Danke. Ich bewundere Sie auch in Ihren Filmen.«
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