Die Tochter des Magiers
Grundriß des
Hauses, und du weißt einigermaßen über die Lebensgewohnheiten der
Bewohner Bescheid. Jetzt willst du dich noch ein wenig persönlich
umschauen und entscheiden, wann und wo du zuschlägst.«
Max strich sich über den Schnurrbart. Er wußte nicht genau, ob
er ärgerlich oder beeindruckt sein sollte. »Du bist gut informiert.«
»Ich habe vier Jahre Zeit gehabt, um die Augen offenzuhalten,
und die ganze Zeit darauf gewartet, daß du mich mitmachen läßt.«
»Mein lieber Junge …«
»Ich bin kein Junge mehr«, erwiderte Luke und rückte noch
dichter an ihn heran. »Und ich will wissen, ob du mir
vertraust … oder nicht.«
»Es geht hier nicht um Vertrauen, Luke, sondern um den
richtigen Zeitpunkt.«
»Du willst mir doch nicht erzählen, daß du versuchst, mich
davor zu bewahren, auf die schiefe Bahn zu geraten?«
Max lächelte. »Bestimmt nicht. Ein Heuchler bin ich nie
gewesen, und ich bin genauso egoistisch wie jeder Vater, der hofft, daß
sein Sohn einmal in seine Fußstapfen tritt. Aber …«
Luke legte ihm eine Hand auf den Arm. »Aber?«
»Du bist noch so jung, und um ein erfolgreicher Dieb zu sein,
braucht es doch etwas Reife, Erfahrung …«
»Und vor allem Mut«, warf Luke ein, worauf Max laut auflachte.
»Das allerdings. Aber außerdem auch ein gewisses Maß an
Geschicklichkeit, Raffinesse und Kaltblütigkeit. In ein paar Jahren bis
du vielleicht soweit, aber vorläufig …«
»Wie spät ist es?«
Verwirrt blickte Max auf seine Uhr. Oder vielmehr dorthin, wo
seine Uhr gewesen war. »Ich habe schon immer gesagt, daß du geschickte
Hände hast.«
»Du weißt nicht, wie spät es ist?« Luke drehte sein Handgelenk
um. Das Sonnenlicht glitzerte auf Max' goldener Rolex. »Es ist fast
drei. Du solltest jetzt zahlen, damit wir aufbrechen können.« Luke
winkte den Kellner heran. Geistesabwesend griff Max in sein
Jackett – und stutzte.
»Ein wenig knapp bei Kasse?« Luke holte Max' Brieftasche aus
seiner Jacke. »Diesmal geht es auf mich. Ich bin vor kurzem zufällig zu
etwas Geld gekommen.«
Max nickte versonnen und lächelte Mouse zu. »Du hast heute
nachmittag auch frei. Luke kann mich fahren.«
»In Ordnung, Max. Dann schaue ich mir mal diese Fußabdrücke
der Filmstars vor dem Kino am Hollywood Boulevard an.«
»Viel Spaß.« Mit einem Seufzer streckte Max die Hand nach
seiner Brieftasche aus. »Bereit?« fragte er Luke.
»Ich bin seit Jahren bereit.«
Obwohl New Orleans in all seiner
verfallenden Pracht und mit seinem bunten Straßenleben der einzige Ort
war, an dem Luke sich immer zu Hause fühlen würde, gefiel ihm Beverly
Hills. Die breiten, von Palmen gesäumten Boulevards und die Häuser der
vielen Stars in den umliegenden Bergen, die nur durch einen leichten
Dunstschleier zu sehen waren, sorgten für eine Atmosphäre wie im Film.
Vermutlich lebten gerade deshalb zahlreiche Schauspieler so gern in
dieser Stadt.
Unterwegs begegneten ihnen gelegentlich Streifenwagen der
Polizei, die hier keine zerkratzten und staubigen Autos waren, sondern
blitzblanke, die in der Nachmittagssonne glitzerten.
Die meisten Grundstücke lagen hinter hohen Mauern und Hecken
verborgen. Zweimal sahen sie einen der Busse, die Besichtigungstouren
zu den Häusern der Prominenten machten. Luke wunderte sich, daß sich
irgend jemand für eine solche Fahrt interessierte, da es doch im Grunde
nichts weiter zu sehen gab als Steinmauern und Baumwipfel.
Max öffnete seine Aktentasche. »Warum willst du eigentlich
unbedingt stehlen?«
»Weil es Spaß macht«, erwiderte Luke, ohne auch nur eine
Sekunde nachzudenken. »Und weil ich's gut kann.«
Max nickte zufrieden. Seiner Ansicht nach war es stets am
besten, das zu tun, was einem Spaß machte und wozu man talentiert war.
»Der Hotelpage, der unsere Koffer hinauftrug und so begeistert war von
deinen Taschenspielertricks, hatte eine Uhr und eine Brieftasche. Hast
du sie ihm abgenommen?«
»Nein.« Überrascht schaute Luke ihn an. »Warum sollte ich?«
»Warum nicht, ist eher die Frage.« Max löste seine Krawatte
und legte sie zusammengefaltet in die Tasche.
»Ach, es macht doch keinen Spaß, wenn es so einfach ist.
Außerdem ist er ein armer Teufel, der sich mühsam seinen
Lebensunterhalt verdient.«
»Man könnte einwenden, daß auch ein Dieb nur versucht, sich
seinen Lebensunterhalt zu verdienen.«
»Wenn das alles wäre, was ich wollte, könnte ich gleich einen
Lebensmittelladen überfallen.«
»Ein solches Unterfangen käme also für
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