Die Tochter des Magiers
einziger, und ich hätte dich an einen Ort gebracht, wo sie dich
nicht hätte finden können.«
Luke merkte, wie all seine Wut verrauchte. Er fühlte sich nur
noch leer und ziemlich erbärmlich. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Du mußt auch nichts sagen. Alles, was ich getan habe, hätte
jeder Vater für seinen Sohn getan, und das bist du für mich. Als
einzige Gegenleistung bitte ich dich, noch zwei kurze Jahre geduldig zu
sein.«
»Ich kann das nie im Leben wiedergutmachen«, erwiderte Luke
mit gesenktem Kopf.
»Du beleidigst mich, wenn du auch nur daran denkst.«
»Du und Lily …« Er verstummte. Manche Gefühle ließen
sich einfach nicht in Worte ausdrücken. »Ich würde alles für dich tun.«
»Dann vergiß diese Sache hier vorerst. Geh, und zieh dich um.
Ich habe heute nacht noch etwas zu erledigen.«
Luke horchte auf und sah ihn gespannt an. Max fragte sich
verwundert, wie es möglich war, daß der Junge sich innerhalb dieser
kurzen Zeit, die sie in der engen Garderobe gestanden hatten, in einen
Mann hatte verwandeln können. Aber es war ein Mann, mit breiten
Schultern und aufrechter Haltung, der ihn aus dunklen Augen direkt
anblickte.
»Die Sache bei Langtree? Ich komme mit.«
Max setzte sich seufzend hin, um seine Bühnenschuhe
auszuziehen. »Du machst es mir heute abend wirklich schwer, Luke. Ich
habe dir schon einmal nachgegeben, aber esist ein
großer Unterschied, ob es darum geht, sich ein Objekt anzusehen oder
ein Ding zu drehen.«
»Ich komme mit dir, Max.« Luke trat einen Schritt vor, so daß
Max gezwungen war, zu ihm aufzuschauen. »Du redest immer von
Entscheidungen. Ist es nicht an der Zeit, daß du mich meine eigenen
treffen läßt?«
Max antwortete erst nach einer langen Pause. »Wir fahren in
einer Stunde. Du brauchst dunkle Kleidung.«
Max war froh, daß Elsa Langtree sich nicht
solch ein kleines Schoßhündchen hielt wie viele andere
Schauspielerinnen. Elsa bevorzugte Männer – die im Verlauf der
Jahre immer jünger und muskulöser geworden waren. Kürzlich hatte sie
sich von Ehemann Nummer sieben, einem professionellen Footballer,
scheiden lassen und plante gegenwärtig die Hochzeit mit Ehemann Nummer
acht, einem achtundzwanzigjährigen Bodybuilder.
Elsa war neunundvierzig, und die Zeit lief ihr davon.
Was Männer betraf, mochte ihr Geschmack eher kläglich sein.
Doch ansonsten war er erstklassig, wie Max erklärte, als er und Luke
über die zweieinhalb Meter hohe Mauer kletterten, die das Grundstück
umgab.
»Reiche Leute verlieren oft jeden Maßstab. Aber dieses Haus,
das Elsa vor ungefähr zehn Jahren bauen ließ, ist einfach wunderschön.
Sie hatte natürlich erstklassige Innenarchitekten engagiert, aber
trotzdem hat sie sich um jedes Detail, um jeden Farbton und jedes
Möbelstück persönlich gekümmert.«
»Woher weißt du das alles?«
»Es gehört einfach zu den Vorbereitungen dazu, alles über die
Bewohner im Erfahrung zu bringen, genauso wie man den Grundriß des
Hauses kennen muß.« Er blieb im Schutz einiger Sträucher stehen. »Wie
du siehst, ist es ein ausgezeichnetes Beispiel für Kolonialarchitektur.
Sehr traditionelle Linienführung, weich, feminin und genau zu Elsa
passend.«
»Es ist groß«, bemerkte Luke.
»Natürlich, aber nicht protzig. Im Haus darfst du nur
sprechen, wenn es unbedingt notwendig ist. Und bleib die ganze Zeit
über an meiner Seite. Meine Anweisungen werden exakt und ohne Zögern
befolgt, klar?«
Luke nickte. Sein ganzer Körper prickelte vor Ungeduld. »Ich
bin bereit.«
Max fand den Schaltkasten der Alarmanlage hinter einem
Blumenkasten auf der rückwärtigen Veranda. Er schraubte den Deckel ab
und durchschnitt die entsprechenden Drähte. Erst nachdem er den Kasten
wieder zugeschraubt hatte, ging er voraus zur Terrassentür.
»Diese Tür hat ein Künstler aus New Hampshire entworfen«,
murmelte Max. »Wäre eine Sünde, sie zu beschädigen.« Statt den
Glasschneider zu nehmen, suchte er seine Dietriche heraus und machte
sich an die Arbeit. Es dauerte eine Weile. In der Stille der Nacht
hörte Luke das leise Summen der Filteranlage im Swimmingpool, das
Rascheln einiger Nachtvögel in den Bäumen, das gedämpfte Klicken von
Metall auf Metall, bis Max ihm schließlich triumphierend zuflüsterte,
daß die Tür offen sei.
Zum erstenmal empfand er dieses berauschende Gefühl, ein
fremdes Haus zu betreten, in dem ahnungslose Menschen schliefen. Und
sich zu holen, was man wollte. Im Wohnzimmer hing noch der Hauch
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