Die Tochter des Magiers
seine eigene Unverfrorenheit
erschrocken. »Tut … mir leid«, stammelte er verlegen. »Ich
sollte besser wieder verschwinden.«
Aber er rührte sich nicht von der Stelle, sondern schaute sie
nur regungslos an. Und genau wie er es gehofft hatte, war sie es nun,
die den ersten Schritt machte und ihre Arme um seinen Hals schlang.
»Geh nicht, Sam.«
Er war süß, er war nett zu ihr, und er küßte gut. Er erfüllte
also genau Annabelles Ansprüche.
Als er später mit ihr auf der Couch lag und sie nahm,
erschauderte sein Körper vor Lust. Aber noch weit mehr Vergnügen
bereitete es ihm, Luke auf diese Weise zu demütigen.
Während Sam sich mit der stöhnenden
Annabelle auf dem rosengemusterten Sofa ihrer Mutter vergnügte, suchte
Madame im Magic Door den Weg hinter die Bühne. Es war ihr mehr als
unangenehm, die Überbringerin schlechter Nachrichten zu sein, und sie
hatte diese Aufgabe nur übernommen, weil sie sich Sorgen um Roxanne
machte. Die finanziellen Einbußen, die sie und die anderen Kaufleute im
Viertel erlitten hatten, waren ihr dagegen eher gleichgültig.
»Monsieur Nouvelle?«
Max wandte sich um und erblickte Madame in der Tür seiner
Garderobe. Ein freudiges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Er stand
auf, nahm ihre Hand und küßte sie. » Bonsoir , Madame, bienvenue . Ich
bin entzückt über Ihren Besuch.«
»Ich wünschte, ich könnte sagen, ich sei nur gekommen, um mir
die Vorstellung anzuschauen, mon ami , aber
leider hat mein Besuch einen anderen Grund.«
»Gibt es ein Problem?« fragte er besorgt.
» Oui , und
ich muß mich deswegen bedauerlicherweise an Sie wenden. Können wir hier
reden?«
»Natürlich.« Er schloß die Tür und führte sie zu einem Stuhl.
»Anfang dieser Woche bin ich im Laden beraubt worden.«
Max fand es durchaus normal, daß ihn der Zorn packte, obwohl
er selbst ein Dieb war. Madame war erstens eine Freundin und konnte
sich zweitens solche Einbußen kaum leisten. »Wie hoch war Ihr Verlust?«
»Neben etlichen kleinen Schmuckstücken rund einhundert Dollar.
Es ist nur eine Unannehmlichkeit, Monsieur, nicht gerade eine Tragödie.
Ich habe es zwar gemeldet, aber das führt natürlich zu nichts. In
unserem Beruf lernt man, Verluste zu akzeptieren. Ich hätte mich gar
nicht weiter darum gekümmert, nur hörte ich ein paar Tage darauf, daß
auch noch andere Läden – die Boutique in der Bourbon Street
und das Rendezvous in der Conti Street – beraubt worden sind,
und wieder waren es nur kleine Summen. Dann traf es den Laden nebenan,
diesmal war der Verlust schon etwas beträchtlicher. Mehrere wertvolle
Porzellanstücke wurden mitgenommen, dazu einige hundert Dollar Bargeld.«
Max strich sich über seinen Bart. »Hat irgend jemand die Täter
gesehen?«
»Vielleicht.« Madame spielte mit dem Amulett, das sie um den
Hals trug. »Als wir uns miteinander berieten, stellte sich heraus, daß
jedesmal, wenn etwas verschwunden war, zuvor jemand, den wir gut
kannten, im Laden gewesen war. Womöglich nur ein Zufall.«
»Ein Zufall?« Max hob eine Braue. »Das erscheint mir recht
unwahrscheinlich. Warum kommen Sie damit zur mir, Madame?«
»Weil dieser Besucher Roxanne war.«
Madame preßte ihre Lippen zusammen, als sie sah, wie sich Max'
Gesichtsausdruck veränderte. Verschwunden war die Besorgnis, das
Interesse, der offenkundige Wunsch zu helfen. »Madame«, sagte er mit
gefährlich leiser Stimme und blitzenden Augen. »Sie wagen es?«
»Ich wage es, Monsieur, weil ich das Kind liebe.«
»Trotzdem beschuldigen Sie es, sich in Läden zu schleichen und
Menschen, die sie gern haben und die ihr vertrauen, zu bestehlen?«
»Nein.« Madame hob die Schultern. »Ich beschuldige sie nicht.
Sie würde sich nichts heimlich einstecken, da sie genau weiß, daß sie
nur zu fragen brauchte und ich ihr alles geben würde, was sie möchte.
Aber sie war bei diesen Besuchen nicht allein, Monsieur.«
Max bekämpfte seinen Zorn und stand auf, um Brandy
einzuschenken. Er reichte Madame ein Glas und nahm selbst einen
Schluck, ehe er fragte: »Und wer war bei ihr?«
»Samuel Wyatt.«
Max nickte stumm. Betroffen merkte er, daß er gar nicht
sonderlich überrascht war. Er hatte den Jungen aufgenommen und für ihn
getan, was er konnte, aber die ganze Zeit über hatte er irgendwie
gewußt, daß Sam es ihm nicht danken würde.
»Einen Moment, bitte.« Er ging zur Tür und rief nach Roxanne.
Sie trug noch ihr Kostüm und küßte Madame strahlend auf die Wangen.
»Das ist aber wirklich
Weitere Kostenlose Bücher