Die Tochter des Magiers
träumen würde.
Roxanne quälte ihn jedoch nicht nur in
seinen Träumen. Am nächsten Tag hüpfte sie gleich nach der Probe auf
den Motorroller eines blonden Lümmels, winkte ihm fröhlich zu und raste
mit ihm davon ins rücksichtslose Pariser Verkehrsgewühl. »Wer zur Hölle
war das?« fragte Luke.
Max blieb bei einem Blumenverkäufer stehen und kaufte eine
Nelke für sein Knopfloch. »Wer denn?«
»Der Idiot, mit dem Roxanne gerade weg ist.«
»Ach, dieser Junge?« Max steckte sich die rote Blüte ans
Revers. »Antoine oder Alastair oder so ähnlich. Er studiert an der
Sorbonne. Ein Künstler, glaube ich.«
»Du läßt sie einfach mit irgendeinem Kerl wegfahren, den du
nicht mal kennst?« Luke konnte es nicht fassen. »Mit einem Franzosen?«
»Roxanne kennt ihn«, erwiderte Max. Zufrieden mit sich und der
Welt nahm er einen tiefen Atemzug. »Ich glaube, wenn Lily sich
umgezogen hat, gehen wir zum Essen in ein kleines malerisches Café, wo
man draußen sitzen kann.«
»Wie kannst du jetzt bloß an Essen denken?« Luke mußte sich
beherrschen, um Max nicht kräftig zu schütteln. »Deine Tochter ist
gerade mit einem wildfremden Kerl weggefahren. Wer sagt dir, daß er
nicht irgendein Wahnsinniger ist?«
Max lachte und beschloß, noch ein Dutzend Rosen für Lily zu
kaufen. »Roxanne kann sehr gut auf sich selbst achten.«
»Er hat ihre Beine angestarrt«, erklärte Luke finster.
»Na ja, deswegen kann man ihm wohl kaum Vorwürfe machen, oder?
Ah, da ist ja Lily.« Er überreichte ihr mit einer schwungvollen
Verbeugung die Rosen.
Roxanne hatte einen wunderschönen Tag auf
dem Land verbracht. Beim Picknick auf einer Wiese voll duftender Blumen
hatte ihr junger französischer Begleiter ihr im Schatten eines
Kastanienbaums Gedichte vorgelesen.
Sie hatte jede Sekunde genossen – auch die sanften,
erregenden Küsse und die leise geflüsterten Zärtlichkeiten in der
romantischsten Sprache der Welt. Mit einem verträumten Lächeln auf den
Lippen und glänzenden Augen schlüpfte sie jetzt in ihr Zimmer.
»Was zur Hölle hast du getrieben?«
Sie fuhr erschrocken zusammen. Luke saß auf einem Stuhl am
Fenster, hatte eine Flasche Bier in der Hand und musterte sie mit
finsterem Gesicht. Im Aschenbecher neben ihm glimmte der Stummel einer
Zigarre.
»Callahan, du verdammter Idiot! Mich hätte fast der Schlag
getroffen. Was machst du denn hier in meinem Zimmer?«
»Warten, bis du dich endlich bequemst heimzukommen.« Mit ihrem
windzerzausten Haar erinnerte sie Luke an eine Frau, die gerade nach
einem wilden Liebesabenteuer aus dem Bett kam, was seine Wut noch mehr
anstachelte.
»Rede nicht so dummes Zeuge. Ich habe noch eine gute Stunde
Zeit, ehe wir ins Theater müssen.«
Sie hatte sich von dem Dreckskerl küssen lassen. O ja, das
wußte er ganz genau, er brauchte sie nur anzuschauen – dieser
verträumte Blick, diese weichen Lippen, die sanften Augen. Außerdem war
ihre Bluse zerknittert. Vermutlich hatte sie mit ihm im Gras gelegen
und …
Er durfte gar nicht daran denken.
Es war schlimm genug, wenn sie zu Hause mit amerikanischen
Burschen ausging. Aber mit einem Franzosen …
Für jeden Mann gab es gewisse Grenzen.
»Ich möchte wissen, was dir in den Sinn gekommen ist. Was
denkst du dir dabei, einfach mit irgendeinem französischen Idioten
namens Alastair loszufahren?«
»Wir haben ein Picknick gemacht. Und er ist kein Idiot,
sondern ein ausgesprochen lieber, sensibler Mann. Ein Künstler. Und
übrigens, sein Name ist Alain.«
»Es schert mich einen Dreck, wie er heißt.« Luke stand langsam
auf. »Du gehst jedenfalls nicht noch mal mit ihm aus.«
Eine Sekunde lang verschlug es ihr vor Verblüffung die
Sprache. Aber nur für eine Sekunde. »Was zum Teufel bildest du dir ein,
mir Vorschriften zu machen? Ich kann ausgehen, mit wem ich will.«
Er packte ihr Handgelenk und zog sie mit einem Ruck an sich.
»Von wegen.«
»Wer sollte mich daran hindern?« fragte sie trotzig. »Du etwa?
Du hast mir gar nichts zu sagen, Callahan.«
»Da irrst du dich«, stieß er grimmig hervor. Fast gegen seinen
Willen hatte er eine Hand in ihr Haar vergraben. Er nahm den Duft von
Gras, Sonne und wilden Blumen wahr. Der Gedanke, daß ein Fremder ihr so
nahe gewesen war, brachte ihn um den Verstand. »Du hast zugelassen, daß
er dich anrührt. Wenn das noch mal passiert, bringe ich ihn um.«
Sie hätte über seine Drohung gelacht, wenn sie nicht gesehen
hätte, daß er es tatsächlich ernst meinte. »Du bist nicht
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