Die Tochter des Magiers
ganz dicht.
Wer mich anrührt oder nicht, bestimme ganz allein ich. Und bei ihm hat
es mir gefallen.« Sie wußte, daß dies das Ungeschickteste war, was sie
hatte sagen können, aber sie konnte nicht anders. »Bei dir gefällt es
mir eben nicht.«
»Wirklich nicht?« Seine Stimme war leise und sanft, was sie
viel mehr erschreckte als alle grimmigen Drohungen. »Ich glaube, du
brauchst eine kleine Gratislektion.« Während er seinen Mund auf ihre
Lippen preßte, verfluchte er sich bereits selber dafür.
Eine überwältigende Hitze flammte in ihr auf. Ihr stockte der
Atem, und sie vergaß jede Gegenwehr. Dieser Kuß war etwas völlig
anderes als die sanften Zärtlichkeiten des jungen Franzosen und die
linkischen Umarmungen der andern, mit denen sie bisher ausgegangen war.
Er küßte sie mit einer wilden, fast aggressiven Leidenschaft, und das
Kratzen seiner Bartstoppel erhöhte das berauschende Gefühl, daß sie
endlich, endlich ein richtiger Mann in den Armen hielt.
Noch nie zuvor hatte sie so etwas erlebt – und sie
konnte sich nicht vorstellen, daß irgendeine Frau auf der Welt sich
nicht wünschte, so geküßt zu werden.
Luke bog ihren Kopf zurück. Wenn er schon zur Hölle fahren
mußte, dann sollte es die Sache wenigstens wert sein. Weiter wollte er
gar nicht denken.
Es war genauso, wie er es sich immer vorgestellt
hatte – und doch ganz anders. Stöhnend drängte sie sich ihm
entgegen, erwiderte begierig seine Küsse, flüsterte seufzend seinen
Namen und brachte ihn völlig um den Verstand.
Er hatte nur noch den einen Wunsch, sie aufs Bett zu zerren,
ihr die Kleider herunterzureißen und sie zu nehmen. Sein Verlangen war
so groß, daß er kaum noch atmen konnte. Sein Herz raste, seine Lungen
schmerzten, und er glaubte zu ersticken.
Abrupt riß er sich von ihr los. Nach Atem ringend versuchte
er, wieder zur Besinnung zu kommen. Sie klammerte sich weiter an ihn,
ihre Augen waren dunkel, ihre Lippen halb geöffnet, als sehne sie sich
nach mehr. Eine Welle der Scham überflutete ihn, und er schob sie
schroff zur Seite.
»Luke …«
»Nicht.« Wenn sie ihn jetzt auch nur flüchtig berührte, würde
er jede Beherrschung verlieren und wie ein Tier über sie herfallen. Um
sie davor zu schützen, richtete er alle Wut, die er über sein eigenes
Verhalten empfand, gegen sie. »Eine Gratislektion«, wiederholte er und
tat, als bemerke er den verletzten Blick in ihren Augen nicht. »Das ist
die Behandlung, die du herausforderst, wenn du mit fremden Männern
ausgehst.«
Sie besaß genügend Stolz und Selbstbeherrschung, um ihn nicht
merken zu lassen, wie gedemütigt sie war. »Dabei bist du der einzige,
der mich je so behandelt hat. Merkwürdig, nicht? Denn dich kenne ich.
Das dachte ich jedenfalls.« Sie wandte sich um und starrte aus dem
Fenster. Auf keinen Fall sollte er sehen, daß sie mit den Tränen
kämpfte. »Verschwinde aus meinem Zimmer, Callahan. Wenn du mich je
wieder anfaßt, wirst du es mir büßen.«
Er büßte bereits jetzt. Luke ballte die Hände zu Fäusten, um
nicht dem Drang nachzugeben, ihr über das Haar zu streicheln. Er ging
zur Tür. »Ich habe das ganz im Ernst gemeint, Roxanne.«
Sie warf ihm über die Schulter einen wütenden Blick zu. »Ich
auch.«
SECHSTES
KAPITEL
R oxanne befolgte Lilys Rat und schloß mit
Max einen Kompromiß – obwohl sie es lieber als Handel
betrachtete. Sie würde sich an der Universität einschreiben und
ernsthaft studieren. Falls sie nach einem Jahr immer noch bei den
geheimen Unternehmungen ihres Vaters mitmachen wollte, würde er sie in
die Lehre nehmen.
Roxanne fand, daß sie mit dieser Regelung leben konnte.
Erstens lernte sie gern, und zweitens hatte sie nicht vor, ihre Meinung
zu ändern.
Daß ihr durch das Studium und die Arbeit auf der Bühne kaum
Freizeit blieb, war ihr ebenfalls recht. So konnte sie Lukes
Gesellschaft meiden.
Sie hätte ihm verziehen, daß er sie angebrüllt und
herumkommandiert hatte; erst recht hätte sie ihm den Kuß verziehen.
Aber nie würde sie ihm verzeihen, daß er in diesem wunderbaren Erlebnis
nichts weiter als eine Lektion gesehen hatte, die er ihr erteilen
wollte.
Allerdings war sie Profi genug, um zu wissen, daß nichts ihre
gemeinsame Arbeit beeinträchtigen durfte. Wenn Proben angesetzt waren,
probte sie mit ihm, und Abend für Abend traten sie gemeinsam auf, ohne
daß sie sich etwas von ihren Gefühlen anmerken ließ.
Wenn die Truppe auf Tournee ging, reisten sie zusammen wie
höfliche Fremde, die sich
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