Die Tochter des Magiers
Monets und eine besonders schöne Straßenszene von
Pissarro zusammengerollt in ihrem Rucksack, ehe sie zu ihrem Vater ins
Wohnzimmer lief.
Er war grade dabei, den Safe zu öffnen. Roxanne wußte, daß sie
ihn nicht stören durfte. Sie beobachtete ihn voller Stolz und fand, daß
er aussah wie Merlin, der eine Zauberei ausheckte.
Sie lächelten einander zu, als die Tür sich öffnete.
»Jetzt rasch, Liebes.« Er kippte den Inhalt der mit Samt
ausgelegten Schmuckschatullen in den Beutel, den sie am Gürtel trug. Da
sie ihm beweisen wollte, was sie auf dem College gelernt hatte, holte
Roxanne eine Lupe hervor und untersuchte im Licht ihrer Taschenlampe
die Steine einer Saphirbrosche.
»Berliner Blau«, murmelte sie mit Kennerblick. »Mit einem
ausgezeichneten …« In diesem Augenblick hörten sie das Jaulen
eines Hundes.
»O Scheiße.«
»Ruhig.« Max legte ihr eine Hand auf den Arm. »Beim ersten
Anzeichen, daß es Probleme gibt, bist du zur Tür raus und läufst zurück
zu Mouse.«
Sie spürte förmlich, wie ihre Nerven bebten, aber ihre
Loyalität war stärker. »Ich lasse dich nicht allein.«
»O doch.« Mit raschen Bewegungen leerte Max den Safe. Im
ersten Stock musterte Luke finster die knurrenden Spitze. Er wußte von
seinem Besuch her, daß sie es gewohnt waren, auf dem Bett ihres
Frauchens zu schlafen.
Aus diesem Grund hatte er sich vorsichtshalber zwei fleischige
Knochen eingesteckt.
Miranda murmelte etwas im Schlaf und drehte sich auf die
andere Seite.
Er kauerte sich hin und winkte den Hunden, da er es nicht
wagte, sie mit Worten zu locken. Aber sie brauchten keine weitere
Aufforderung mehr, da sie den Imbiß längst gewittert hatten. Eifrig
sprangen sie vom Bett und schnappten sich diese unerwarteten
Leckerbissen.
Zufrieden zog Luke die falsche Buchreihe von einem Brett des
Bücherschranks und machte sich daran, den dahinterliegenden Safe zu
öffnen. Daß in unmittelbarer Nähe eine Frau schlief, war ein wenig
irritierend.
Eine interessante neue Erfahrung, dachte er.
Und dann fiel ihm auch noch ein, daß die gute Miranda
splitternackt schlief.
Es war an sich schon stets sehr erregend, ein Schloß zu
knacken, aber diesmal verspürte er dabei einen unverkennbar sexuellen
Kitzel. Bis er den Safe geöffnet hatte, war er in einem Zustand, daß er
Mühe hatte, nicht lauthals über diese absurde Situation zu lachen.
Er konnte zu ihr ins Bett steigen und sie im Schlaf verführen.
Immerhin wußte er ja, wie sie es gern hatte.
Und sie würde sich bestimmt nicht abgeneigt zeigen, da war er
sicher.
Es wäre zweifellos eine aufregende Sache – aber
leider unmöglich.
Ein echter Jammer, dachte Luke. Sie hätte ihre wahre Freude an
mir. Ich hätte es ihr derart besorgt, daß sie der Verlust der Juwelen
gar nicht mehr interessiert hätte. Er mußte sich auf die Lippen beißen,
um sein Lachen zu unterdrücken, als er aus dem Zimmer schlich.
»Du bist zwei Minuten über die Zeit.« Roxanne stand unten im
Flur. »Ich wollte gerade zu dir hochkommen.« Sie musterte ihn
mißtrauisch. »Warum gehst du so komisch?«
Luke schnaubte erstickt und stakste linkisch die Treppe
hinunter.
»Bist du verletzt? Bist du …« Sie brach ab, als sie
sah, was mit ihm los war. »Herrgott, bist du pervers!«
»Nur ein kerngesunder normaler Mann, Roxy.«
»Krank«, zischte sie und empfand verrückterweise einen
regelrechten Stich der Eifersucht. »Ekelhaft.«
»Völlig normal, glaub mir.«
»Na, Kinder«, mahnte Max wie ein geduldiger Schullehrer. »Nun
kommt, darüber könnt ihr im Auto ausführlicher diskutieren.«
Roxanne flüsterte Luke weitere Beschimpfungen zu, während sie
über den Rasen eilten. Doch als sie das Auto erreichten, hatte die
Erregung über dieses Abenteuer die Oberhand gewonnen. Sie warf sich
lachend hinter Mouse in den Sitz und küßte ihn, während er langsam
losfuhr. Max erhielt ebenfalls einen schmatzenden Kuß, und da sie in
großmütiger Stimmung war – und vielleicht auch ein klein wenig
rachsüchtig –, drehte sie sich um und preßte Luke ihre Lippen
fast auf den Mund.
»O Gott.«
»Hoffentlich leidest du ordentlich.« Übermütig warf sie den
mit Edelsteinen gefüllten Beutel in die Luft. »Okay, Daddy, und was
machen wir als Zugabe?«
NEUNTES
KAPITEL
U ngeduldig lief Roxanne in Madames Laden
zwischen bunten Lampenschirmen und Bilderrahmen, kristallenen
Zauberstäben und juwelenbesetzten Kästchen hin und her. In ihren
verblichenen Jeans und dem übergroßen bedruckten T-Shirt
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