Die Tochter des Magiers
ihn
völlig wehrlos machte. »Tut mir leid, daß ich gelacht habe. Wieso
kommst du auf so etwas Albernes?«
»Er … er …«, stieß sie unter Tränen hervor,
brachte aber kein Wort heraus.
Luke streichelte ihren Rücken und beschloß, seine Taktik zu
ändern. »Okay, okay, keine Sorge. Ich gehe jetzt auf der Stelle rüber
und schlag ihn gründlich zusammen.«
Trotz ihres Kummers mußte sie lachen. »Ich liebe ihn so sehr,
weißt du? Daß ich Max gefunden habe, ist das Beste, was mir je passiert
ist. Du weißt ja nicht, wie es vorher war.«
»Nein«, entgegnete er ruhig und drückte sie an sich. »Das weiß
ich nicht.«
»Wir waren so arm. Aber das war in Ordnung, weil ich eine
wundervolle Mutter hatte. Auch nachdem Daddy gestorben war, schaffte
sie es, uns irgendwie durchzubringen. Sie sorgte immer dafür, daß es
auch mal ein kleines Extravergnügen gab, einen Kinobesuch oder ein Eis.
Erst Jahre später habe ich erfahren, daß sie von Zeit zu Zeit Geld von
Männern nahm. Aber sie war keine Hure.« Lily hob ihr tränenüberströmtes
Gesicht. »Es war ihre einzige Möglichkeit, um für uns Kinder zu sorgen.«
»Dann kannst du stolz auf sie sein.«
Sie war tief gerührt über sein Verständnis. »Ich war schon mal
verheiratet. Max weiß davon, aber sonst niemand.«
»Dann wird es auch von mir niemand erfahren.«
»Es war ein Fehler, ein ganz schrecklicher Fehler. Ich war
erst siebzehn, und er sah so gut aus.« Sie lächelte ein wenig, weil sie
wußte, wie albern es klang. »Ich wurde schwanger, also heirateten wir.
Er haßte es, arm zu sein und eine Frau zu haben, der morgens schlecht
war, und so ließ er es manchmal an mir aus.«
Sie spürte Lukes Anspannung und schwieg beschämt. Doch dann
redete sie hastig weiter. »Schließlich sagte ich ihm, daß ich ihn
verlasse. Meine Mom hatte mir beigebracht, daß man sich nicht
verprügeln lassen darf. Da erzählte er mir, siesei
bloß eine Hure, und ich sei nicht besser.Anschließend
hat er mich furchtbar geschlagen, und ich verlor das Baby.« Sie schloß
für einen Moment die Augen. »Dabei ging etwas in mir kaputt, und man
sagte mir, ich könne keine Kinder mehr bekommen.«
»Das tut mir leid.« Luke fühlte sich entsetzlich hilflos.
»Ungefähr um diese Zeit starb meine Mutter. Ich glaube, ihr
Vorbild und die Erinnerung daran, welche Opfer sie gebracht hat, damit
ich es ein bißchen besser haben sollte, halfen mir, stark zu werden.
Deshalb bin ich auch nicht wieder zu ihm zurück, obwohl er sich
entschuldigte und versprach, mich nie wieder zu schlagen. Ich habe mir
Arbeit auf dem Rummelplatz besorgt. Hab Wahrsagerin gespielt, an
einigen Buden gearbeitet, was es so alles gibt. Und dann habe ich Max
kennengelernt. Er war damals schon zauberhaft, er und die kleine
Roxanne. Ich glaube, ich habe mich in beide auf den ersten Blick
wahnsinnig verliebt. Er hatte seine Frau verloren und vielleicht auch
ein kleines Stück von sich selbst. Und ich war verrückt nach ihm, daher
tat ich, was jede kluge Frau getan hätte. Ich habe ihn verführt.«
Luke drückte sie fester an sich. »Ich wette, er hat sich mit
Zähnen und Klauen gewehrt, nicht wahr?«
Sie mußte lachen. »Er hätte alles von mir haben können, ohne
mir etwas geben zu müssen«, seufzte sie. »Aber er nahm mich bei sich
auf, behandelte mich wie eineDame und zeigte mir,
wie es zwischen einem Mann und einer Frau sein soll. Er hat mir eine
Familie geschenkt. Doch vor allem hat er mich geliebt –
einfach um meiner selbst willen. Du weißt, was ich meine.«
»Ja, ich weiß. Aber ich glaube nicht, daß die ganze Sache nur
einseitig war, Lily. Ich denke, du hat genausoviel gegeben, wie du
bekommen hast.«
»Ich habe es immer versucht, Luke. Ich liebe ihn jetzt seit
fast zwanzig Jahren und könnte es bestimmt nicht ertragen, ihn zu
verlieren.«
»Wie kommst du auf solche Gedanken? Er ist verrückt nach dir.
Wie ihr beiden miteinander umgeht, war immer etwas ganz Besonderes für
mich. Es hat mir viel bedeutet, das zu erleben.«
»Er ist so gleichgültig geworden.« Sie holte einige Male tief
Atem, um sich zu beruhigen. »Sicher, er ist immer noch ganz lieb zu
mir, wenn er sich mal dran erinnert, daß ich da bin. Max würde weder
mich noch sonst jemanden absichtlich verletzen. Aber er verbringt
Stunden um Stunden allein über seinen Büchern und Aufzeichnungen. Ach,
dieser verfluchte Stein.« Sie kramte in ihrer Tasche nach einem Tuch
und putzte sich die Nase. »Zuerst fand ich es ja irgendwie
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