Die Tochter des Magiers
interessant.
Mal angenommen, es gäbe ihn wirklich? Aber die Sache nimmt ihn
inzwischen so sehr in Anspruch, daß kaum noch Platz für irgend etwas
anderes bleibt. Er vergißt darüber sogar Verabredungen und die
Mahlzeiten. Letzte Woche wären wir fast zu einer Vorstellung zu spät
gekommen. Ich weiß, er macht sich Sorgen, weil er manche
Taschenspielertricks nicht mehr beherrscht. Das Ganze wirkt sich auch
aus auf …« Sie verstummte und überlegte, wie sie es taktvoll
ausdrücken konnte. »Ich will damit sagen, daß Max immer, nun ja, recht
munter gewesen ist … sexuell. Aber seit kurzem hat er kaum
noch … du weißt schon.«
Luke verstand und war mehr als verlegen. »Na ja,
ich …«
»Aber das allein meine ich gar nicht. Mir fehlt einfach seine
Zuwendung. Er dreht sich nachts nicht mehr zu mir um, greift nicht mehr
nach meiner Hand und schaut mich nicht so an wie früher.« Wieder liefen
Tränen über ihre Wangen. »Er hat zuviel um die Ohren, Lily. Das ist
alles. Wir haben eine neue Fernsehshow geplant, dann schreibt er ein
weiteres Buch, und wir wollen wieder nach Europa auf Tournee gehen. Und
da sind ja auch noch die nächtlichen Unternehmungen. Max hat sich schon
immer viel zuviel aufgeladen.« Er erwähnte nicht, daß er Max bei ihrem
letzten Einbruch dabei ertappt hatte, wie er ratlos vor einem offenen
Safe stand. Fast fünf Minuten hatte es gedauert, bis er wieder zu sich
gekommen war und sich daran erinnert hatte, wo er war und was er gerade
machte.
»Weißt du, was ich denke?« Er nahm Lily das Spitzentuch ab und
trocknete ihre Tränen. »Ich glaube, du bist genauso überlastet wie
Max – kein Wunder bei dem ganzen Trubel um Roxys Abschluß und
den Vorbereitungen für die kommende Saison. Und ich – ach,
warte mal!« Er nahm ihre Hand und drehte die Handfläche nach oben. »Ich
sehe eine lange Seereise«, erklärte er mit ernster Stimme, so daß Lily
lachen mußte. »Nächte im Mondlicht, sanfte Meeresbrisen, eine herrliche
Romanze.« Er zwinkert ihr zu. »Und großartigen Sex.«
»Du kannst doch gar nicht aus der Hand lesen.«
»Und ob, verlaß dich drauf.« Er drückte seine Lippen in ihre
Hand. »Du bist die schönste Frau, die ich je gekannt habe, und Max
liebt dich – fast so sehr wie ich. Na, na, bitte nicht wieder
anfangen zu tröpfeln.«
»Okay.« Sie blinzelte heftig. »Ich heule nicht mehr.«
»Du kannst mir glauben, wenn ich sage, daß alles gut wird. Wir
kommen mal für eine Weile aus allem raus, entspannen uns richtig und
schlürfen genüßlich Champagnercocktails auf dem Achterdeck.«
»Vielleicht braucht er wirklich nur ein bißchen Erholung«,
seufzte sie getröstet. »Ich wollte dich nicht mit meinen Sorgen
belasten, Luke, wirklich nicht. Aber ich bin sehr froh, daß du da
warst.«
»Ich auch. Lade nur jederzeit alles bei mir ab, wenn dir
danach ist.«
»Jetzt geht's schon wieder.« Sie wischte sich die Tränen ab.
»Bist du sicher, daß ich nicht für dich packen soll?«
»Schon erledigt. Ich kann es auch kaum noch erwarten, daß es
endlich losgeht.«
»Ich freue mich wirklich darauf.« Sie griff nach ihrer
Limonade und nahm einen Schluck. Ihre Kehle war ganz ausgetrocknet.
»Aber ich habe noch überhaupt nichts gepackt. Roxanne ist schon fix und
fertig und hat bloß zwei Koffer gebraucht. Ich begreife wirklich nicht,
wie sie das macht.«
»Das kleine Biest war schon mit acht Jahren eine
Ordnungsfanatikerin.«
»Aber sie ist jetzt keine acht mehr. Warte, bis du das
Cocktailkleid siehst, das sie für den Kapitänsempfang gekauft hat.«
»Und was ist mir dir? Irgendwelche sexy Klamotten in diesen
Taschen?«
»Ein paar.«
Da er wußte, wie gern Lily ihre Einkäufe vorführte, tat Luke
ihr den Gefallen. »Willst du sie mir nicht zeigen?«
»Vielleicht«, meinte Lily kokett und stellte ihr Glas ab.
Dabei fiel ihr Blick auf den Brief, den er auf dem Tisch liegengelassen
hatte, und sie erstarrte. »Cobb.« Verwundert schaute sie ihn an. »Warum
schreibst du ihm?«
»Mache ich gar nicht.« Mit einem stummen Fluch riß Luke den
Brief vom Tisch und stopfte ihn in seine Tasche.
»Lüg mich nicht an.« Ihre Stimme war plötzlich scharf. »Lüge
mich niemals an.«
»Ich habe bloß gesagt, ich schreibe ihm nicht.«
»Was ist dann in dem Umschlag?«
Sein Gesicht wurde starr. »Nichts.«
Sie schwieg einen Moment bestürzt. »Ich habe immer geglaubt,
du vertraust mir«, sagte sie ruhig und stand auf. »Es wird Zeit, ich
muß gehen.«
»Nicht.« Er griff nach ihrer
Weitere Kostenlose Bücher