Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
eingehen – nur würde sie, wenn er mit seiner Arbeit und seinen Mätressen beschäftigt war, zu Hause mit seiner Mutter eingesperrt sein. Das war die Zukunft, vor der ihr graute – und es gab kein Entkommen daraus.
Während sie durch die Shoji lugte, überkam sie ein solches Gefühl der Ausweglosigkeit, dass sie mutlos auf die Fersen zurücksank. Sie saß in der Falle. Bisher hatte sich ein Leben voller Möglichkeiten vor ihr erstreckt. Jetzt hatte sich diese Freiheit mit einem Mal in nichts aufgelöst.
Die kleine Gruppe kam über den Hof, die Dienstboten eilten neben ihnen her und hielten ihnen Sonnenschirme über den Kopf.
»Okatsu, geh du und heiße sie willkommen. Ich kann nicht«, sagte Taka. Ihr war plötzlich eine verrückte Idee gekommen. Ihr Bruder und dessen Freunde schienen Okatsu unwiderstehlich zu finden. Wenn Okatsu sie bediente, richteten sich alle Blicke auf sie. Sie musste endlose Neckereien über sich ergehen lassen und sich gelegentlich aus ihren unbeholfenen Umarmungen befreien. Vielleicht konnte sie ihren Zauber auch auf diesen jungen Mann ausüben.
Okatsu hob die Hand vor den Mund und quietschte vor Lachen. »Das ist absurd, Herrin. Ich kann das nicht tun.«
»Du wirst es viel besser machen als ich. Außerdem gehört es sich nicht, dass dieser Masuda-sama seine Braut vor der Hochzeit sieht. Das ist nicht die angemessene Vorgehensweise.«
»Aber darum ist er doch hier, Herrin, um Sie zu sehen. Hat Ihre ehrenwerte Mutter das nicht gesagt?« Okatsu mochte zwar Takas treue Dienerin sein, doch sie wusste genau, wer die eigentliche Macht hatte – nämlich Fujino.
»Kannst du Mutter nicht sagen … Bitte sag ihr, dass ich krank bin.« Allmählich geriet Taka in Panik.
Okatsu lachte, bis ihre Schultern bebten, und blieb eisern auf den Knien hocken. Taka warf ihr einen letzten flehenden Blick zu und kam widerstrebend auf die Füße. Seit ihrer Aufnahmeprüfung für die Kijibashi war sie nicht mehr so nervös gewesen. Das hier war viel schlimmer. So mussten sich Verurteilte auf dem Weg zur Hinrichtung fühlen, dachte sie.
Die Türen des großen Vordereingangs waren zurückgeschoben worden, und ein riesiger, mit einem Tiger bemalter Wandschirm füllte die Lücke. Goldene Augen funkelten im Dämmerlicht. Taka kniete hinter ihrer Mutter, schob sich so weit in die Dunkelheit zurück, wie sie konnte, und hielt den Blick fest auf den Boden gerichtet, als der junge Mann aus seinen Lederschuhen schlüpfte und in den kühlen Schatten der Eingangshalle trat. Ein unbekannter, fremdartiger Geruch vermischte sich mit einem Hauch von Schweiß, als zwei Füße in feinsten Seidensocken vor ihr stehen blieben. Sie errötete, bis ihre Ohren brannten.
»Entschuldigen Sie die Kurzfristigkeit«, sagte er. Seine Stimme klang ziemlich hoch, mit einem leichten Nuscheln, und erinnerte Taka daran, dass er gerade aus dem Ausland zurückgekehrt und vermutlich nicht daran gewöhnt war, Japanisch zu sprechen. »Sie müssen mir verzeihen, ich weiß, dass dies alles recht plötzlich kommt. Ich bin noch nicht lange zurück und befürchte, dass ich mir ausländische Bräuche angewöhnt habe. Ihre Mutter hat mir alles über Sie erzählt.«
Takas Mutter antwortete für sie. »Willkommen. Unser Haus ist klein und schmutzig, aber bitte treten Sie ein.« Das waren die konventionellen Begrüßungsworte, und Fujino hätte sie immer benutzt, ganz gleich, ob sie in einer Hütte oder einem Palast gewohnt hätten. Tatsache war, dass ihr Haus nicht allzu klein, aber auch nicht übermäßig groß war, eher bescheiden für das Haus der zweiten Familie von General Kitaoka.
In der Küche hatten die Dienerinnen die Gerätschaften für den Tee bereitgestellt. Taka hatte die Teezeremonie als Kind im Geisha-Bezirk von Kyoto gelernt. Nachdem nun alle modern und fortschrittlich waren, galt es als lächerlich altmodisch, aber Taka mochte es nach wie vor. Fujino hatte darauf bestanden, dass Taka nur eine einfache Sommer-Teezeremonie durchführte, um zu zeigen, dass sie zwar die traditionellen Fähigkeiten beherrschte, aber nicht zu altmodisch war. Dieses Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, war nicht leicht.
»Beeil dich«, drängte ihre Mutter. »Ich weiß nicht, warum du einen so schäbigen Kimono trägst. Ich will gar nicht daran denken, was Madame Masuda davon halten wird.« Sie war noch nervöser als Taka.
Als Taka sich hinkniete, das Tablett neben sich auf den Boden stellte und die Tür aufschob, verstummte das Gespräch. Schweigen
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