Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Sie fand den Gedanken, zu einer Heirat gezwungen zu werden, schlichtweg entsetzlich.
»Was haben die beiden gesagt?«, gurrte Fujino. »Es klang entzückend.«
Nachdem Taka die Teegeräte zusammengeräumt und sich hastig in die Küche verzogen hatte, war auch von dort die Stimme ihrer Mutter zu vernehmen. »Uns bleiben noch viele Jahre, um einander kennenzulernen. Taka ist ein vortreffliches Mädchen und eine gute Hausfrau. Wie Sie sehen, habe ich sie auf traditionelle Weise erzogen. Vor allen Dingen ist sie folgsam, das kann ich Ihnen versichern.« Weit gefehlt, dachte Taka und lächelte in sich hinein. »Wenn Sie so weit einverstanden sind«, schloss Fujino, »könnten wir sofort mit der Hochzeitsplanung beginnen. Das wird ein glanzvolles Ereignis.«
Plötzlich sah Taka ihr Leben vor sich ausgebreitet – bis in alle Ewigkeit die bevormundende Art dieses Mannes und den Sarkasmus seiner Mutter auszuhalten, immer lächelnd, in einer Reihe mit den Dienstboten, wenn ihr makellos gekleideter Ehemann aus dem Haus stolzierte und wenn er heimkam. Sie würde die Nummer eins unter den Hausangestellten sein. Etwas Einsameres konnte sie sich kaum vorstellen. Dafür also hatte sie diese teure Schulbildung genossen. Taka biss sich auf die Lippe und blinzelte ihre Tränen weg.
»Sie werden sich daran gewöhnen«, sagte Okatsu sanft und nahm ihr das Tablett mit den Teegeräten ab. »Jeder tut das. Alle weinen, wenn es an der Zeit ist, zu heiraten und das Elternhaus zu verlassen. ›Will man ein Tigerjunges fangen, muss man sich in die Höhle des Tigers begeben.‹ War das nicht etwas, das Nobu zu sagen pflegte?« Sie sprach seinen Namen aus, als redeten sie täglich über ihn, und sah Taka dabei fragend an.
Taka nickte lächelnd. Nobu, der so plötzlich in der Schwarzen Päonie aufgetaucht war wie ein Windstoß aus einer anderen Welt. Da hatte sie erkannt, dass die Welt viel größer war, als sie es sich je hätte vorstellen können. Vor ihr stieg das Bild eines jungenhaften Gesichts mit sonnenverbrannten Wangen, schrägen Augen und komisch abstehenden Ohren auf.
»Er hatte noch ein besseres«, beharrte Okatsu. »›Einmal gefallen, kehrt die Blüte nicht mehr an den Zweig zurück …‹«
»›Einmal zerbrochen, fügt sich der Spiegel nicht mehr zusammen‹«, beendete Taka das Sprichwort. »Ja, er mochte diese wunderlichen Redensarten. Aber das ist es auch nicht. Das bedeutet, wenn etwas getan ist, kann es nicht mehr rückgängig gemacht werden. Doch noch ist nichts entschieden, der Knoten ist noch nicht geknüpft. Da muss es noch ein anderes Sprichwort geben, ein hoffnungsvolleres.«
»Wie wär’s mit ›Setze keinen Preis für dein Dachsfell fest, bevor du den Dachs gefangen hast‹? Nein. ›Wenn der Winter kommt, kann der Frühling nicht mehr weit sein.‹ Das ist es. Behalten Sie das im Sinn.«
Taka lachte. »Dieser Nobu. Was für ein Gassenjunge er war, selbst nachdem Mutter ihm neue Kleider gegeben hatte. Ich musste immer lächeln, wenn ich ihn sah, so wie seine Arme und Beine aus dieser gestreiften Dienstbotenjacke hervorragten.«
Okatsus Gesicht war weich geworden. »Erinnern Sie sich, wie Sie ihm beim Lernen geholfen haben?«
»Ich habe ihm nur Bücher gegeben. Er war so stolz. Er hat kein Wort darüber verloren, etwas lernen zu wollen, bis ich angeboten habe, ihm Schriftzeichen beizubringen. Eigentlich war es hauptsächlich dazu gedacht, sie mir selber einzuprägen. Dann habe ich ihn dabei erwischt, dass er in meine Schulbücher lugte. Kann doch nichts schaden, wenn ich ihm welche gebe, die ich schon ausgelesen habe, dachte ich. Danach hat er sich in jedem freien Moment mit Mathematik oder Geschichte beschäftigt.«
Okatsu seufzte. Taka schaute sie an. Sie hatten beide Tränen in den Augen.
»Nobu war ein guter Junge.«
»Er hätte ein Samurai sein sollen«, sagte Taka. »Ich fand es schrecklich, dass er nur ein Dienstbote sein konnte.«
Aber im neuen Japan waren viele Menschen nicht mehr das, was sie zu sein schienen. Selbst Gonsuké, dem Rikscha-Jungen, war einmal entschlüpft, dass sein Leben vor dem Krieg ein ganz anderes gewesen war. Als wären alle in die Luft geschleudert worden und völlig durcheinandergewirbelt herabgefallen. Menschen, die an der Spitze gestanden hatten, befanden sich jetzt am Boden, und andere wie ihre Familie, die von niederer Herkunft waren, bildeten jetzt die Spitze. Zweifellos hätte Nobu auch dafür ein Sprichwort gehabt.
Sobald Samurai-Mädchen zehn Jahre alt wurden,
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