Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Masuda-sama ist begierig darauf, einen Blick auf dich zu werfen, daher habe ich ihn eingeladen, zu uns zu kommen und deinen Bruder kennenzulernen. Du wirst ihn begrüßen und den Tee servieren. Ich kann dir versichern, er wird dein Herz gewinnen. So ein charmanter junger Mann. Du siehst, ich habe kein schreckliches Geheimnis zu verbergen.«
Taka war verblüfft. Noch nie hatte man davon gehört, dass ein Mann sich seine Braut vor dem Hochzeitstag genauer anschaute. Wenn ihr Vater hier gewesen wäre, hätte er es nie erlaubt. Das lag nur daran, dass ihre Mutter eine Geisha war und keine Ahnung davon hatte, wie sich ehrbare Leute verhielten, dachte sie.
»Er kommt sogar schon heute Nachmittag. Ich wünschte nur, dein Vater könnte auch hier sein.« Fujinos Stimme hatte sich verändert, und Taka sah zu ihrem Entsetzen, dass sich die Augen ihrer Mutter mit Tränen füllten. Taka wandte den Blick ab, wollte nicht den kleinsten Hinweis darauf sehen, dass ihre Mutter auch Gefühle haben mochte wie sie.
»Gerade als wir dachten, der Krieg wäre vorbei und unser Leben würde wieder friedvoll werden, machte er sich davon«, jammerte ihre Mutter. »Er und seine kostbaren Prinzipien. Da war er der mächtigste Mann des Landes, und er wirft das alles weg. Die Götter allein mögen wissen, was er sich dabei denkt, den Bauern zu spielen und jagen zu gehen.« Sie schenkte Taka ein mattes Lächeln. »Schau dich bloß an. Dein ganzes Gesicht ist voll Tusche! Wasch dich lieber und mach dich zurecht, wenn du die Ehefrau eines reichen Mannes werden willst.«
Vielleicht war das der Grund, warum ihre Mutter so erpicht darauf war, einen Ehemann für sie zu finden, dachte Taka, als das Schurren bestrumpfter Füße in der Weite des großen Hauses verschwand. Fujino musste sich beschäftigen, um die Leere in ihrem Leben zu füllen. Sie wirkte ein bisschen zu strahlend und heiter. Wenn sie doch nur keine Geisha gewesen wäre. Geishas und Samurai waren zwei Seiten des Spiegels, und Taka fühlte sich ständig hin und her gerissen zwischen den Geisha-Gepflogenheiten ihrer Mutter und der grimmigen Samurai-Denkweise ihres Vaters.
Und das Schlimmste von allem war, dass es kein Entkommen gab. Sie spürte bereits, wie sich die Gefängnismauern um sie schlossen.
7
»Otaka-sama«, zischte Okatsu, keuchend vor Aufregung.
Seit Fujino sie mit ihrer außergewöhnlichen Ankündigung überrascht hatte, huschte Okatsu hektisch umher, trug ganze Arme voller Kleider herbei. Sie hingen an den Wänden, steif, gerüscht und in leuchtenden Farben, wie exotische Vögel – mit Volants und Bändern besetzte Tageskleider, auf Taille geschnittene Kleider mit Korsage und schmalem Rock, fließende Tuniken mit nachschleifendem Überrock sowie zwei dieser vollkommen unbequemen Korsetts aus Walknochen, alles erworben bei Herrn Kawakami vom Ebisuya-Warenhaus, der ganze Truhenladungen davon ins Haus gebracht hatte.
»In so einem Kleid werfe ich nur die Teekanne um«, meinte Taka lachend und entschied sich für einen einfachen, blassblauen Kimono mit einem dezenten Enzianmuster auf den Ärmeln und am Kragen.
»Mit dem sehen Sie aus wie eine alte Dame«, beschwerte sich Okatsu, während sie ihr half, den Unterkimono zu binden und den Kragen zurechtzurücken. »Warum nicht irgendwas Bunteres und Mädchenhaftes?«
»Er war in Amerika, ihm wird das gar nicht auffallen«, erwiderte Taka. In Wahrheit hoffte sie darauf, dass ein so fortschrittlicher Mann wie dieser Masuda-sama nur die Nase rümpfen würde über eine derart traditionell gekleidete Frau.
Jetzt saß Okatsu auf den Knien, das Ohr an die Shoji-Schiebewand gedrückt, die sie beide vor den Blicken anderer verbargen. Sie schob die Shoji ein Stückchen auf, um durch den Spalt zu spähen. »Taka-sama. Der ehrenhafte Gast ist eingetroffen!«
»Lass das, Okatsu. Das ziemt sich nicht.«
»Er sieht wie ein echter Edelmann aus«, quiekste Okatsu atemlos. »Und seine Kleider – genau wie die eines Barbaren. Herrin, kommen Sie und schauen Sie selbst. Sie wissen, dass das nicht geht, wenn Sie den Tee servieren.«
Sie hatte recht, das wäre ungehörig. Taka zögerte, dann nahm sie Okatsus Platz ein. Sie hielt den Atem an, kniff ein Auge zu und drückte das andere an den Spalt. Ihr Herz pochte. Was wohl daran liegen musste, dass sie vor Scham im Boden versinken würde, wenn dieser unbekannte junge Mann einen Blick auf sie erhaschte, redete sie sich ein.
In der flimmernden Nachmittagssonne schlossen die Lakaien das Tor, und
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