Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
hatte in der Residenz Kitaokas gearbeitet, er kannte sich dort aus.
Sie waren bereits mehrmals am Tor vorbeigeschlendert. Dann hatten sie an diesem Abend die davor abgestellten Rikschas gesehen. Nobu hatte geflüstert, das sei seine Chance, sich unbemerkt hineinzuschleichen. Sie waren zur anderen Seite des Anwesens gegangen, und er war hineingeklettert, wobei Jubei die ganze Zeit breit gegrinst hatte. Wenn Jubei die echten Beweggründe gekannt hätte, dachte Nobu, hätte er ihm nie geglaubt.
Als die Nachricht kam, die Armee des Feindes habe die Stadtmauern durchbrochen, und die ersten Kriegereinheiten zur Verteidigung der Burg abkommandiert wurden, war Nobu ein Kind gewesen. Er wusste noch, wie er auf den Knien in der großen Halle daheim in Aizu gehockt hatte, mit dem blubbernden Kessel über dem Kohlebecken und den vom Rauch geschwärzten Balken hoch an der Decke.
Unterricht gab es nicht mehr. Die Schule war als Lazarett requiriert worden. Die Kampfschreie seiner Schwestern hallten durch die Morgenluft, während sie mit ihren Übungsstöcken im Garten fochten und sich mit tödlichem Ernst auf die Schlacht vorbereiteten.
Die Brauen streng zusammengezogen, hatte Yasu seinem Diener Jubei mitgeteilt, er entlasse ihn umgehend aus seinen Diensten. Für Jubei gebe es keinen Anlass, sein Leben für ihre Familie zu opfern. Er habe sofort nach Hause zurückzukehren, hatte Yasu ihn angewiesen und ihm einen Beutel voll Geld gegeben.
Jubei war vor Entrüstung rot angelaufen. »Wie können Sie eine so geringe Meinung von mir haben, Herr?«, hatte er aufbegehrt, den Blick störrisch zu Boden gerichtet. »Ich weiß, dass ich ein Taugenichts bin, aber meine Familie hat der Ihren seit Generationen gedient. Wenn Ihre Stadt angegriffen wird, werde ich bleiben und in Ihrer Verteidigungstruppe kämpfen. Ich weiß, ich habe Befehlen zu gehorchen, Herr, aber ich weigere mich standhaft zu gehen.«
Schließlich hatte Yasutaro nachgegeben, und danach hatten sie Seite an Seite gekämpft. Yasu und Kenjiro lachten oft über Jubeis Draufgängertum. Wann immer er Soldaten des Feindes hörte, lief er zur Tür, das Gewehr in der Hand, und sie mussten ihn am Ärmel packen und zurückzerren. In der Schlacht hatte er stets dafür gesorgt, in vorderster Linie zu stehen. Jetzt, acht Jahre später, hatte er sich eine Frau genommen und einen Tofuladen eröffnet, doch er beschwerte sich oft darüber, ihm sei zu langweilig, und er wurde nach wie vor in Prügeleien verwickelt.
»Sieht aus, als wäre die Luft rein, zumindest im Moment.« Jubei schaute sich um. »Wir sollten lieber von hier verschwinden. Ich sage Ihnen, Sie würden mich nicht dazu bringen, über diese Mauer zu klettern, selbst wenn Sie mich bezahlen.«
»Sie haben ein Treffen abgehalten«, sagte Nobu. »Hab zwar nicht viel mitbekommen, aber wenigstens wissen wir jetzt, dass wir einsteigen können, wenn wir wollen. Könnte nützlich sein, sie im Auge zu behalten.«
Er spitzte die Ohren, horchte auf Rufe von der anderen Seite der Mauer, doch da war alles still. Offenbar war er unbemerkt entwischt. Dann hörte er aus der Dunkelheit vom Ende der Straße her Geräusche näher kommen.
»Verdammt! Rikschas. Besser, wir machen uns rar.«
Er schaute sich rasch um. Sie befanden sich in einem besonders einsamen Teil der Stadt. Die Straße war an beiden Seiten von hohen Erdwällen gesäumt, ohne Bäume oder Büsche als Deckung. Das einzig mögliche Versteck war der Graben entlang der Mauer auf der Seite der Kitaoka-Residenz. Ohne Zeit zum Nachdenken zu haben, ließen sie sich auf alle viere fallen, krochen in den Graben und beteten zu den Göttern, dass es dort trocken war. Reglos wie Tote lagen sie auf dem Boden. Langes Gras kitzelte sie an der Nase, und Insekten summten ihnen um die Köpfe.
Das Rufen der Rikscha-Zieher wurde lauter, während das Stampfen der Füße und Klappern der Räder zu einem Donnern anschwoll. Dann brüllte eine Stimme: »Hier, Idiot! Ich sagte, hier! Hast du überhaupt kein Hirn?«
Ein Quietschen und ein Rums, als die Stangen auf den Boden prallten, gefolgt von einem Krachen und einem protestierenden: »He, pass doch auf!« Es klang, als hätte eine zweite Rikscha einen Schlenker machen müssen, um nicht mit der vorderen zusammenzustoßen. Nobu verzog das Gesicht, als er den Akzent erkannte: Satsuma, ganz eindeutig, und betrunken. Zweifellos Eijiros Freunde.
Grunzen und Keuchen und das Scharren eines Fußes auf der ungepflasterten Straße.
»Was ist denn los,
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