Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Yamakawa?«, beschwerte sich die zweite Stimme. »Wir sind fast in dich hineingekracht.«
Yamakawa. Nobu kannte den Namen, er war einer von Eijiros Kumpanen. Nobu hatte ihn öfter gesehen, wenn er ins Haus der Kitaokas kam, ein untersetzter, streitsüchtiger junger Mann mit einem Stiernacken und vorspringendem Kinn, der seinen Brustkorb vorwölbte wie ein Kampfhahn. Er war ganz Ehrerbietung, wenn Eijiro zugegen war, behandelte die Dienstboten jedoch wie Hunde.
»Da war jemand, dort drüben, an der Mauer.« Auch Yamakawas arrogante Stimme mit ihrem rauen Satsuma-Tonfall erkannte er wieder.
»Der Sake vernebelt dir den Blick, mein Freund. Beeil dich. Steig wieder in die Rikscha, oder wir schaffen es nie bis zum Daimonji-Teehaus. Wir haben um einen Yen gewettet, denk dran.«
»Ich sag dir, ich habe jemanden gesehen – oder etwas.«
»Als Nächstes sagst du noch, es sei ein Fuchsgeist. Hier ist niemand.«
»Fuchsgeist? Eher ein Dieb, einer von diesen Bettlern aus dem Norden. Kitaoka sollte das Anwesen besser bewachen lassen. Steig aus und hilf mir bei der Suche.«
Nobu hielt den Atem an, als Füße über seinem Kopf das Gras zur Seite stießen. Erde prasselte auf sein Gesicht. Ein kleines Tier huschte am Boden des Grabens entlang. Die Stimmen entfernten sich die Straße hinauf.
Jubei ballte die Fäuste, worauf weitere Erde herabprasselte. »Hundesöhne«, murmelte er. »Sie sind nur zu zweit und sturzbetrunken. Jagen wir ihnen einen Schreck ein. Ist schon viel zu lange her, seit ich mir die Faust an einem Satsuma-Schädel blutig geschlagen habe.«
Er machte Anstalten, aus dem Graben zu klettern.
»Bleib liegen«, zischte Nobu und erschlug eine Mücke, die sich auf seinem Arm niedergelassen hatte. »Da kommen noch mehr.«
Jubei grunzte ungläubig. »Seit wann schrecken Sie vor einem Kampf zurück? Ist das der Junge, der so erpicht darauf war, in die Kitaoka-Residenz einzusteigen?«
»Sei doch nicht verrückt. Du hast nicht mal eine Waffe.« Nobu fielen die Geschichten seiner Brüder über Jubeis Hitzköpfigkeit ein. »Denk an deinen Stolz. Wir können uns hier nicht wie Strauchdiebe herumprügeln. Yasu würde wütend werden.«
Trotzdem hatte Jubei nicht ganz unrecht. In die Kitaoka-Residenz einzusteigen und sich dann zu weigern, es mit zwei betrunkenen Männern aufzunehmen, ergab keinen Sinn. Das Problem war nur, dass sie zu Takas Leuten gehörten und damit in gewisser Weise auch zu Nobus. Ihm fiel es schwer, Jubeis blinden Hass auf die Satsuma noch länger zu teilen. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Der Zauber, den Taka auf ihn ausübte, raubte ihm den Kampfgeist und machte aus ihm einen Schwächling.
Ein Rülpser und Schluckauf waren zu hören. Die Stimmen wurden lauter. Die beiden Satsuma kamen zurück.
»Was hab ich dir gesagt? Hier ist niemand.«
»Warte noch mal kurz.«
Die Schritte waren so nahe, dass Nobu den Sake im Atem der Männer riechen konnte. Er zuckte zusammen, als er Gefummel und das Rascheln gestärkter Kleidung hörte. Dann kam der rauschende Klang eines Wasserstrahls, und Uringestank erfüllte die Luft. Er rümpfte die Nase, als ihm Spritzer ins Gesicht schlugen. Wenigstens hatte sich der Dreckskerl nicht direkt auf ihn erleichtert.
»Ich sag dir, es macht mich verrückt, mir hier nur die Beine in den Bauch zu stehen«, erklang Yamakawas Stimme. »Ist ja gut und schön, in Yoshiwara herumzuhängen, wie diese nichtsnutzigen Strolche aus dem Norden es früher taten, bevor wir sie verjagt haben. Aber das ist kein Leben für einen Mann.«
»Wir haben’s ihnen aber ganz schön gezeigt, nicht wahr? Aizu-Wakamatsu, die Burg, weißt du noch? Das war mal eine Schlacht!«
Ein Glucksen. »Die Flammen, ja! Erinnerst du dich an den enormen Rums, als das Lager mit dem Schießpulver in die Luft flog? Wie Donner. Ein gewaltiges Freudenfeuer war das.«
»Das war ein großartiger Feldzug. Ich habe mein Schwert einen Monat lang nicht mehr in die Scheide gesteckt. Wurde ganz rostig von all dem Blut.«
»Weißt du noch, unsere Kanonen?«
»Fünfzig. Was für ein Krach.«
»Und die Garnison, wie sie mit geschorenen Köpfen herausmarschierte und ihre Kapitulationsfahne schwenkte?«
»Jämmerliche Mannschaft, alles halb verhungerte Kümmerlinge. Ja, das war es, was ich Männerarbeit nenne. Was würde ich dafür geben, wieder kämpfen zu können!«
Nobu platzte fast vor Zorn. Nur mit Mühe konnte er sich zurückhalten, aus dem Graben zu springen und sich auf diese Männer zu stürzen. Er hörte
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