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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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man embryonische Metalle zur Reife bringen kann. Deswegen sind alle großen Alchemisten weiblich.«
    Weiblich schrieb sie in ihr Notizbuch und unterstrich es dreimal.

    »Ich sehe nicht ein, warum jemand überhaupt Weidenkönigin sein möchte«, sagte Jane.
    Die anderen sahen sie mitleidig an.
    »Wegen des Ruhms«, sagte Hebog. »Sie kann den Unterricht schwänzen und Prüfungen auslassen, sich mit verdammt noch mal jedem treffen, den sie begehrt, und in einem großen prachtvollen Festwagen fahren, während alle zu ihr aufschauen und Hurra schreien. Sie wird sogar ein blödes kleines Diadem tragen.« Er sammelte einen großen Klumpen Schleim im Mund und spuckte ihn aus. »Was ist daran so schwer zu verstehen?«
    »Ja, aber ...«
    »Oh, sei nicht fade.« Salome fischte eine dünne rosafarbene Zigarette aus der Handtasche und zündete sie an, ohne die Packung in der Runde herumzureichen. Sie war ein modrig riechendes Mädchen unbestimmter Herkunft, hatte einen langen Schädel, ständig feuchtes Haar und die unselige Angewohnheit, während des Unterrichts an den Fußnägeln zu kauen. Jane mochte sie nicht besonders, hatte andererseits jedoch keine große Auswahl an Leuten, mit denen sie die Zeit verbringen konnte. »Dieses Thema langweilt mich zu Tode, Liiiebes. Reden wir doch von was anderem.«
    »Ja.« Ratsnickle schlug Jane beiläufig auf den Kopf. »Leg mal ’ne andere Platte auf, Armleuchter.«
    »Hee, wenn man vom Teufel spricht ... da kommt Peter«, sagte Hebog. »Peter, mein Bester! Wie geht’s, wie steht’s?« Er war ein roter Zwerg, und wie bei vielen seiner Art wechselte seine Stimmung beständig zwischen säuerlichem Fatalismus und einem welpenhaften Eifer zu gefallen, der an der Grenze zum Lächerlichen lag.
    »Jup, hi.« Peter of the Hillside nickte unbestimmt zu dem Zwerg hinab, ohne die anderen eines Blickes zu würdigen, und wandte sich dann zu ihrem Erstaunen an Jane. »Hör mal, ich hab gehört, du weißt, wie man Bänder aus diesem Laden da unten im Einkaufszentrum mitgehen läßt.«
    »Ja«, sagte Jane. »Das kann ich.«
    »Nun, könntest du mir sagen, wie man das anstellt? Diese Biene, diese Rusalka, mit der ich gehe, du weißt, wie die sind. Ich soll ihr so ein bestimmtes Band besorgen, verstehst du, aber ich bin völlig abgebrannt.«
    »Jane verrät niemals ...«, begann Hebog.
    Sie brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. Immerhin hatte sie das selbst zu entscheiden. Zum Beweis hierfür sagte sie: »Okay. Ich habe diese kleine rote Ledertasche, siehst du. Die trage ich in der rechten Hand. Der Verschluß ist nicht zugeschnappt, so daß ich mit der linken Hand eine Kassette hineinrutschen lassen kann, wenn niemand hinsieht.« Die anderen, insbesondere Salome, hörten interessiert zu; normalerweise gab sie ihre Methoden niemandem preis. Ratsnickles Augen waren vor Konzentration zu schmalen Schlitzen geworden.
    »Aber was ist mit der Sicherheitsschleuse?«
    »Deswegen eine Handtasche, statt die Kassette einfach in die Hosentasche zu stecken. Ich geh zur Schleuse, und gerade wie ich durchgehen will, sehe ich draußen im Einkaufszentrum eine Freundin, okay? Also muß ich ihr zurufen, klar? So etwa: Salome! « Sie rief den Namen, als wäre sie erstaunt und entzückt, stellte sich auf die Zehenspitzen und winkte mit der Taschen-Hand hoch in der Luft, um die Aufmerksamkeit ihrer Freundin auf sich zu lenken. Ein Schritt brachte sie durch die imaginäre Schleuse, und sie nahm die Hand herunter. »Siehst du? Die Handtasche geht also eigentlich über die Schleuse hinweg, nicht hindurch, aber alles geschieht so natürlich, daß der Ladendetektiv nicht weiter nachdenkt.«
    Ihre Freunde lachten und klatschten Beifall. »Sie hat jede Menge solcher Tricks auf Lager«, sagte Hebog stolz.
    »Bringt nichts«, sagte Peter. »Das klappt nur bei einem Mädchen.« Er wollte gehen. »Nun, auf jeden Fall vielen Dank.«
    »Warte«, sagte Jane. »Welches Band willst du?«
    »Das neue Album von ›Conjunction of Opposites‹. Es heißt Mythago .«
    »Ich werd’s dir besorgen. Um dir einen Gefallen zu tun. Komm morgen zu mir.«
    »Ja?« Er kniff die Augen zusammen, als bemerkte er sie zum erstenmal. »Das ist wirklich nett von dir.«
    Nachdem Peter verschwunden war, fragte Ratsnickle: »Warum hast du ihm das gesagt?«
    Jane wußte es nicht. Sie hatte aus einer Eingebung heraus gehandelt. »Er ist ganz süß.« Sie hob die Schultern.
    »Sie ist in ihn verknallt«, sagte Hebog. »’ne hoffnungslose Sache. Der Junge ist

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