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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und zog es mit einem Ruck von dem kleinen Körper.
    Ein Mädchen. Kurze blonde Haare. Nackt. Um den erstarrten Mund war das Entsetzen eingefroren.
    Nadja schüttelte den Kopf und drückte das Taschentuch vor ihre Augen. »Nein …«, sagte sie tonlos. »Nein! Helena war dunkel … nicht blond …«
    Ich halte es nicht durch, dachte sie im gleichen Moment. Gleich werde ich aufschreien und mit dem Kopf gegen die weiße, gekachelte Wand rennen. Das ist zuviel, das hält keine Mutter aus. Gott, o mein Gott, laß mich nicht wahnsinnig werden … Laß mich umsinken und sterben. Ich flehe dich an, mein Gott! Sei ein gnädiger Gott. Laß mich sterben …
    »Nummer zwei!« sagte Batiste ungerührt. »Hat schwarze Haare.«
    Ein Griff zum Laken, ein Ruck … ein neuer, kleiner, schmaler mißbrauchter Körper. Gelblich, etwas aufgedunsen. Das Kind, das man aus der Seine gefischt hatte. Um den Hals zogen sich zwei blutunterlaufene Striemen. Der Beweis, daß man das Kind mit einem Strick erwürgt hatte.
    »Madame … bitte …«, sagte Boité leise.
    »Es ist nicht Helena …«, sagte Nadja und lehnte sich gegen Boité. Sie legte den Kopf auf seine Schulter und weinte. »Es ist furchtbar. Es ist furchtbar …«, stotterte sie.
    »Nummer drei!« sagte Batiste. »Auch schwarze Haare! Das Mädchen aus dem Bois de Boulogne …«
    Nadja stand starr vor dem dritten Marmortisch und hatte keinen Mut mehr, das Taschentuch von ihren Augen zu nehmen. Sie sah nur das Fußende, das Schildchen mit dem Datum, das Fragezeichen. Sie sah, weil sich das Laken verschoben hatte, einen Kinderschuh und ein Stückchen von einem Bein.
    Blaue Strümpfchen … Helena hatte blaue Strümpfe gehabt, und sie wußte genau, daß sie sie in den Koffer gepackt hatte, der ins Krankenhaus gebracht werden sollte.
    Zierliche hellbraune Schuhe mit zwei Riemchen über dem Rist. Auch solche Schuhe hatte Helena gehabt. Auf dem Boulevard Haussmann hatte sie die Schuhe gekauft, in einem ganz teuren, vornehmen Geschäft.
    Nadja nickte stumm. Boité griff fester zu. »Sie haben das Gesicht noch nicht gesehen, Madame«, sagte er heiser.
    »Ich … ich kann es nicht … Aber die Schuhe! Die Schuhe!«
    Sie klammerte sich an Boité fest und drückte ihr Gesicht gegen seine Schulter. Boité schluckte mehrmals, ein dicker Kloß saß ihm im Hals. Er rekapitulierte den Polizeibericht. Fundort: Bois de Boulogne, in der Nähe des Großen Sees. Fundzeit: 7 Uhr 29 morgens. Das Kind lag hinter einem Busch. Der Hinterkopf war mit einem stumpfen Gegenstand (Hammer, Eisenstange, Holzknüppel?) eingeschlagen worden. Das Mädchen war voll bekleidet.
    Bois de Boulogne, dachte Boité. Es paßt genau zu allen vorangegangenen Ereignissen. Auch Nadja Gurjewa war nach der Nacht mit dem Mann im Dunkeln im Bois ausgesetzt worden.
    »Sie müssen das Gesicht ansehen, Madame …«, sagte er leise. »Es ist nun einmal Vorschrift. Ohne dies ist eine Identifizierung nicht gültig. Mut, Madame! Nur ein Blick … Es ist doch nichts mehr zu ändern, und Gewißheit ist besser als zermürbendes Warten …«
    Er streckte die Hand nach hinten aus und winkte. Der junge Arzt gab ihm die Eau-de-Cologne-Flasche. Boité schüttete etwas in seine hohle Hand und rieb damit den Nacken Nadjas ein, der, nach vorn gebeugt, an seiner Brust lag.
    »Bitte …«, sagte er noch einmal ganz leise.
    Mit einem wilden Ruck warf Nadja den Kopf herum. Alle Kraft nahm sie zusammen, allen Trotz gegenüber dem grausamen Schicksal.
    Hochaufgerichtet stand sie vor dem dritten Marmortisch. Batiste zog das Laken weg, wortlos, geübt, wie eine Denkmalsenthüllung.
    Schwarze Haare, ein runder, süßer Mädchenkopf, ein Mund, der wie vor Erstaunen offenstand und nicht begriff, daß das Leben vorbei war.
    »Nein …«, stammelte Nadja und griff nach Halt suchend um sich. »Nein … sie ist es nicht. Das ist nicht Helenuschka … Das ist ein fremdes Kind … Ein – fremdes – Kind …«
    »Mist!« sagte Boité. »Wieder eine Pleite!«
    Er fing Nadja Gurjewa auf, und mit dem jungen Arzt zusammen trugen sie die Ohnmächtige hinaus.
    Fünf Tage lang lag Nadja mit einem Nervenfieber im Bett. Sie schwankte zwischen tiefer Ohnmacht und Minuten des Wachseins, in denen sie schrie und um sich schlug. Jean Gabriel hatte die besten Ärzte von Paris herbeigerufen, und er hatte mit Saparin regelrecht darum gekämpft, daß Nadja nicht in ihrer Wohnung lag oder in eine Klinik eingeliefert wurde, sondern in das breite, baldachinüberspannte Bett Gabriels

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