Die Tochter des Teufels
getragen wurde und von zwei Krankenschwestern betreut werden konnte.
»Sie kompromittieren Nadja Grigorijewna!« hatte Saparin geschrien. »Wer in Ihrem Bett liegt, Monsieur, von dem weiß man, warum er da hineingehört! Aber Nadjuscha ist nicht Ihre Geliebte! Das weiß ich! Aber jetzt wird jeder denken –«
»Sie wird nie meine Geliebte sein, Graf Saparin«, sagte Jean Gabriel stolz. »Sie wird als meine Frau in die Gesellschaft kommen.«
»Sie … Sie wollen sie heiraten?«
»Ja. Es ist mein fester Wille. Die Antwort liegt allein bei Nadja …«
Die Mühe der Ärzte beschränkte sich darauf, Nadja zu beruhigen. Mit Injektionen, mit Tabletten und mit einem großen Aderlaß. Am sechsten Tag zeigte sich der Erfolg … Nadja konnte im Bett sitzen, ohne mit den Dämonen zu kämpfen, die seit Tagen auf sie herunterstürzten und sie würgen wollten.
Überglücklich, wie ein beschenkter Junge, rannte Gabriel umher und brachte ihr mit Erlaubnis ein Glas Sekt. Er saß an ihrem Bett, sah sie unverwandt an und begriff nicht, wie er bisher hatte zufrieden leben können ohne diese Frau.
»Du bist so gut, Jean …«, sagte Nadja, nahm seine Hand und küßte sie. »Du bist soviel Liebe wert … Aber in mir ist es so leer, so schrecklich leer …«
»Wir werden an die Riviera fahren«, sagte Gabriel. »Mein Haus liegt direkt auf den Klippen. Weit kannst du übers Meer sehen, und nachts wiegt dich das Rauschen ein …«
»Nicht das Meer!« Nadja lehnte sich zurück. »Ich möchte das Meer nie wieder sehen. Ich hasse das Meer.«
Im Meer liegt Nikolai, dachte sie. Auf dem Meer verlor ich Rußland. Über das Meer hinweg fuhr ich in die ewige Sehnsucht nach Sibirien. Oh, wie hasse ich das Meer!
»Gut«, sagte Gabriel erstaunt. »Dann fahren wir auf mein Gut in der Bretagne. Oder liebst du die Landschaft an der Loire? Du kannst dir wünschen, wohin du willst …«
»Ich bleibe in Paris, solange ich nicht weiß, wo Helena ist.« Nadja legte sich in die Kissen zurück, und Gabriel deckte sie zu wie ein Kind. »Ohne Helena ist die Welt dunkel. Begreifst du das, Jean Gabriel?«
Und Gabriel nickte beklommen, denn wie alle glaubte er nicht mehr daran, daß man Helena jemals wiedersah.
Am neunten Tag brachte wieder ein Straßenjunge, wie damals, einen verschlossenen Brief.
Nadja ging in das Schlafzimmer. Dort ritzte sie das Kuvert mit einer Nagelschere auf und holte einen Bogen Papier heraus. Das gleiche graue Papier wie bei dem ersten Brief.
Meine Liebe!
Es war ein Fehler, Dich mit meinem Freund Gabriel zusammenzutun. Ein Mann wie Gabriel wird Dich heiraten wollen. Er ist eben eine romantische Natur. Du aber, Geliebte, bist nicht zur Ehe geschaffen. Wer glaubt, Dich fesseln zu können, bindet sich selbst fest an einen Wahn. Du bist die ewige Geliebte, Dir gehört die ganze Welt; Sterne fallen in Deinen Schoß und Vulkane brechen auf, wo Du Deinen Fuß hinsetzt. Sonnen sind kalte Lichtreflexe gegen die Glut, die in Deinen Adern rauscht. Wer kann das besser beurteilen als ich, der nach einer Nacht mit Dir krank und elend vor Sehnsucht geworden ist?
Ich habe Dir Helena nicht zurückgegeben, weil Du mir dann für immer verloren wärst. So aber kommst Du zurück zu mir …
Helena geht es gut. Sie spielt schon wieder, wird braun und kann herzlich lachen. Nur ab und zu fragt sie: Wann kommt Mamuschka von der Reise zurück? – Ich habe ihr nämlich erzählt, daß Du weit wegreisen mußtest.
Nun fragen wir beide: Wann kommst Du zu uns, Geliebte?
Ein Wagen erwartet Dich wieder an der alten Stelle im Bois de Boulogne, an der großen Kaskade. Sonntag. Um acht Uhr abends.
Helena wird Dir entgegenkommen, wenn Du aus dem Wagen steigst.
Ich bete Dich an!
PS. Laß Deinen russischen Grafen zu Hause. Es ist immer unangenehm, einen guten Menschen niederschlagen zu müssen.
Nadja warf sich auf das Bett zurück und starrte an die goldverzierte Decke. Der Brief flatterte zu Boden.
Sie spielt … sie wird schon braun … und sie fragt: Wann kommt Mamuschka … O Helena … du bist in den Klauen eines Satans. Mit einem Aufschrei warf sie sich herum und vergrub das Gesicht in die seidene Decke, die über das Bett gespannt war.
Gegen Mittag kam Gabriel von einer Vorstandssitzung seiner Bank zurück und fand Nadja wieder im Bett. Die Krankenschwester, die nur noch halbtags kommen sollte, winkte ab, als Gabriel die Tür zum Schlafzimmer öffnen wollte.
»Sie schläft, Monsieur. Es hat lange gedauert, bis sie ruhig wurde …«
Gabriel zuckte
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