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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ängstlich … er ging stramm weiter und wunderte sich über seine Ruhe. Ich bin schon jenseits dieser schönen Welt, dachte er. Leb wohl, Nadja …
    Dreizehn – vierzehn –
    Nadja hatte den Waldrand erreicht. Sie sah die voneinander wegschreitenden Männer mit den Pistolen in den Händen, ihre weißen Hemden leuchteten in der hellen Morgensonne. Drei schwarzgekleidete Personen in Zylindern standen an einem Klapptisch und hielten ihre goldenen Taschenuhren in der Hand. Der General legte Wert auf ein genaues Duell-Protokoll.
    »Nein!« schrie sie grell. »Nein! Halt! Halt!« Noch vom rasenden Pferd warf sie sich herunter, rollte über den weichen Waldboden, sprang auf, und während der Rappe an den drei erschrockenen schwarzgekleideten Herren vorbeihetzte und der Klapptisch umfiel, rannte sie auf Stanislas zu, die Arme ausgebreitet, als wolle sie die Kugel auffangen.
    Fünfzehn –
    Stanislas wirbelte herum. Er hatte Nadjas Aufschrei gehört, er sah das Pferd quer durch das Schußfeld galoppieren, er ahnte, daß Nadja auf ihn zulief, aber er sah nicht zur Seite, er zögerte nicht eine Sekunde. Mit einem Ruck hob er die Pistole, so wie es ihn der alte General gelehrt hatte, er sah die Brust, das weiße Hemd Gabriels in gerader Fortsetzung zum Lauf seiner Pistole und drückte ab.
    Gabriel stand.
    »Daneben!« stöhnte de Polignon. »Nun, lieber Gott, mach die Augen zu …«
    Unendlich langsam, so schien es, hob Gabriel seine Pistole. Auch er sah Nadja heranstürzen, und sein Herz krampfte sich zusammen. Dann starrte er Stanislas an und drückte seine Pistole ab. Er schoß, bevor Nadja Stanislas erreicht hatte und sich vor ihn werfen konnte.
    Einen Augenblick stand Stanislas noch aufrecht, nur sein Kopf zuckte, als die Kugel in seine Brust einschlug. Die Pistole fiel auf den Waldboden, auf dem weißen Hemd breitete sich ein roter Fleck aus. Den Kopf weit in den Nacken gelegt, schwankte Stanislas, sein Blick umfaßte noch einmal das ganze Firmament, und er sah jetzt sogar die Sonne, die sich über das Blätterdach des Waldes schob und die Lichtung erreicht hatte. Da lächelte er, sank in die Knie, und Nadja fing ihn auf und preßte seinen Kopf an ihre Brust.
    »René …«, stammelte sie. »René … mein Liebling … mein Herz … mein alles …« Sie hielt Stanislas' Körper fest, so schwer er auch in ihren Armen hing, und das Blut lief aus seiner Brust über ihre Hände und Unterarme.
    »Getroffen!« sagte Baron de Signy in aller Form. »Mein Kombattant hat Genugtuung! Doktor … bitte …«
    Der Arzt, der alte General und der Baron liefen zu Stanislas und nahmen ihn aus Nadjas Händen. Vorsichtig legten sie ihn auf den Waldboden, der Arzt schnitt das Hemd auf und reinigte die Einschußwunde. Ganz still war es um sie herum, selbst Nadja schwieg und sah in das schmäler und bleicher werdende Gesicht Renés.
    Gabriel hatte seinen Rock wieder angezogen und kam nun langsam näher. Mit zuckendem Gesicht blieb er bei der Gruppe stehen und starrte hinunter auf den entblößten Brustkorb und die blutende Wunde, auf die der Arzt blutstillende Watte drückte.
    »Nadja …«, sagte Gabriel leise. »Ich bitte dich, Nadja …«
    Wie von Peitschen geschlagen, wirbelte Nadja herum und sprang auf. Ihr Gesicht war verzerrt. Noch nie hatte Gabriel eine Frau gesehen, aus der so viel Haß und Schmerz schrie. Das hier war nicht mehr die Nadja, die er kannte …
    »Mörder!« schrie sie. »Mörder! Mörder!«
    Sie hob die Fäuste, und Gabriel rührte sich nicht, als ihn ihr Hieb traf.
    »Er lebt noch«, sagte der Arzt. »Sofort nach Hause! Beherrschen Sie sich, Madame … er lebt ja noch …«
    Aber für Nadja war die Erde aufgebrochen und verschlang sie. Mit trommelnden Fäusten stand sie vor Gabriel und hieb auf ihn ein. Blut lief ihm aus der Nase, seine Lippen waren aufgeschlagen … und er rührte sich noch immer nicht, sondern ließ sich stumm und starr mißhandeln.
    Erst als Baron de Signy sie von hinten umfaßte und wegriß, ließ ihre Wildheit nach; sie wandte sich von Gabriel ab und folgte dem alten General und dem Arzt, die Stanislas wegtrugen. Nicht zum Pferdewagen, sondern zum Auto Gabriels. Man hatte keine Zeit mehr, gemütlich durch den Bois zu fahren.
    Sie faßte mit an, stützte den schlaffen, ohnmächtigen Körper unter der Hüfte und half, Stanislas in den Schatten zu tragen.
    Und die Wunde blutete immer noch.

15
    In der kleinen weißen Villa am Bois de Boulogne legte man René Stanislas nicht ins Bett, sondern auf den

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