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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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brannte.
    »Ich wiederhole, Herr Professor«, sagte der Oberstabsarzt leise und beugte sich zur Seite, »daß diese Operation sinnlos ist. Wenn wir die Brustfellhöhle öffnen, bekommt er sofort einen Pneumothorax.«
    »Danke«, sagte Podolskij. »Ich kenne mich in Anatomie aus, Kollege.«
    Verbittert schwieg der Oberstabsarzt. Er will sich nur wichtig machen, dachte er ketzerisch. Nur glänzen will er als der mutige Chirurg! Und dabei weiß jeder Student im dritten Semester, daß niemand am offenen Herzen operieren kann!
    »Er … er ist wieder ohne Besinnung …«, sagte Nadja. »Und seine Augen, Wladimir Diogenowitsch …«
    Podolskij trat an den Tisch und blickte auf Stanislas. Dann sah er Kubulai an und schüttelte den Kopf. Und jeder wußte, was diese stumme Geste bedeutete. Baron de Signy riß sich den Schlips herunter und öffnete den steifen Kragen, General de Polignon straffte sich. Kubulai und Saparin nahmen die Mützen ab, der Stabsarzt stand mit tropfenden Händen neben den Waschschüsseln. Nur Nadja schien noch nicht zu begreifen. Sie beugte sich über Stanislas und küßte seinen farblosen Mund.
    »Darf ich bleiben?« fragte Nadja und sah Podolskij flehend an. »Schicken Sie mich nicht hinaus, wenn Sie operieren. Ich habe es gelernt, Blut zu sehen und tapfer zu sein.«
    »Eine halbe Stunde zu spät …«, sagte Podolskij leise. »Er ist nach innen verblutet …«
    Und da verstand auch Nadja Grigorijewna. Einen Moment stand sie starr, mit hängenden Armen, dann warf sie sich über Stanislas, umfaßte seinen Kopf mit beiden Händen und rief seinen Namen. Seine großen dunklen Augen blickten über sie hinweg, aber es war ein seelenloser Blick, verschleiert und ohne Leben. Die Wangen sanken ein, die Lippen öffneten sich, weiß und spitz beherrschte nun die Nase das ganze schöne Gesicht.
    Podolskij rollte seine Hemdsärmel wieder herunter und schloß die Manschetten mit goldenen Knöpfen. Während die anderen noch in Erschütterung schwiegen, dachte er bereits praktisch.
    »Ich bin nie hier gewesen, Messieurs«, sagte er laut in die beklemmende Stille hinein. »Sie wissen, daß Duelle verboten sind und der Sieger als Mörder verurteilt wird! Aber Sie müssen einen Totenschein haben.« Er streckte die Arme aus, und Kubulai reichte ihm die Jacke. »Rufen Sie den nächsten Arzt und erzählen Sie ihm etwas von Jagdunfall oder Selbstmord! Man wird keinerlei Zweifel haben.« Podolskij stockte, als habe er etwas vergessen, dann ging er zum Tisch zurück und beugte sich über Nadja. Nun sprach er wieder russisch, und nur Saparin und Kubulai verstanden ihn, und das Grauen strich über ihren Rücken.
    »Nadja Grigorijewna«, sagte Podolskij ernst. »Verfluchen Sie nicht den Schützen, verfluchen Sie nicht die Liebe, verfluchen Sie nicht das Schicksal. Verfluchen Sie Ihren Vater …« Der Kopf Nadjas zuckte hoch. Ihre dunklen Augen flammten. Podolskij nickte. »Ja, genauso hat er mich angestarrt, Grigori Jefimowitsch Rasputin. Gott hat ihn verflucht und mit ihm alle, die aus ihm kamen! Sie laufen Ihrem Schicksal nicht davon, Nadja! Wie Kain sind Sie gezeichnet, weil Sie seine Tochter sind … Leben Sie wohl. Wenn es auch viele bezweifeln: es gibt einen gerechten Gott!«
    »Was … was habe ich getan?« sagte Nadja leise. Ihr Mund verzerrte sich. Beide Hände legte sie über die starren Augen Stanislas'. »Ich will nur ein Mensch wie alle anderen sein!«
    »Das werden Sie nie, Nadja Grigorijewna. Sie sind eine Rasputina!«
    Professor Podolskij strich sich über seine langen weißen Haare, winkte dem zögernden Kubulai und verließ die Küche wieder durch den Hintereingang. Kubulai, den Koffer mit den Instrumenten in der Hand, folgte ihm.
    Im Hof trat ihnen wieder Gabriel entgegen. Der große, schwere, selbstsichere Mann hatte sich erschreckend verändert. Hemd, Rock und Hose schienen plötzlich zu groß geworden zu sein. Sie schlotterten um seinen Körper.
    »Gerettet?« fragte er heiser.
    »Tot!« sagte Podolskij ungerührt.
    »Ich schwöre Ihnen: Ich habe an ihm vorbeigezielt! Ich wollte ihn nicht treffen! Um kein Feigling zu sein, mußte ich schießen, aber – bei meinem Augenlicht! – ich habe an seiner Brust vorbeigezielt.«
    »Dann lassen Sie die Pistole zum Waffenmacher bringen und den Lauf richten.« Podolskij hob die schmalen Greisenschultern. »Der Mann ist jedenfalls tot. Herzschuß.«
    »Ich schwöre Ihnen …«, stammelte Gabriel. »Ich schwöre Ihnen bei allem …«
    Podolskij schüttelte den Kopf,

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