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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nach Omsk fuhr, wo seine Truppen in erbitterten Kämpfen mit den Bataillonen der roten Direktoriumsregierung standen, wurde ihm ein Besucher gemeldet. Der Adjutant deutete an, daß der Mann sehr wichtige Meldungen habe.
    Koltschak nickte. Aber er zog die Augenbrauen zusammen, und sein schmallippiger Mund wurde noch härter, als ein dürrer Mönch in schmutziger Kleidung eintrat, um den Arm eine weiße Binde. Das gelbliche Gesicht war einem Totenkopf ähnlich, nur in den Höhlen brannten fanatische, starre Augen. Der Mönch neigte den Kopf, hob dann die rechte Hand und segnete Koltschak. Der Admiral rührte sich nicht.
    »Bitte?« sagte er mit heller Stimme.
    »Ich bin Genjka, der Mönch«, sagte der Totenähnliche. »Euer Gnaden haben die Güte, mich anhören zu wollen.«
    Koltschak winkte kurz. »Was soll's?«
    Genjka betrachtete Koltschak mit fiebrigen Blicken. Um seinen Mund zuckte es, als weine, lache, schreie und bete er zugleich.
    »Der Zar ist tot, die Zarin, die Großfürstinnen. Ihr unschuldiges Blut wird die Mörder treffen, wie einst Hiob die Strafe Gottes traf und ihn mit Aussatz schlug. Sie starben mit Gott im Herzen – aber ihr Mörder läuft frei herum.«
    »Wir werden Jurowski, Woikow und wie sie alle heißen, heute oder morgen oder übermorgen bekommen. Ich werde sie bestrafen.«
    Koltschak drückte das Kinn an, als er den Mönch Genjka den dürren Kopf schütteln sah.
    »Jurowski war ein Werkzeug, Euer Gnaden«, sagte Genjka betont langsam. »Der Zar hätte frei sein können, auf dem Weg zur Krim. Eine Gruppe Offiziere hatte alles vorbereitet. Sie hatte Tausende von Freunden und Helfern. Es wäre ein leichtes gewesen, den Zaren und seine Familie in Sicherheit zu bringen. Alles war schon vorbereitet, die Wagen standen bereit …«
    »Ich weiß«, antwortete Koltschak ungeduldig. »Aber das Unternehmen flog im letzten Moment auf.«
    »Durch Verrat, Euer Gnaden.«
    Sekundenlang war es still im Raum.
    Koltschak atmete tief auf. »Verrat?« fragte er heiser. »Nein …«
    »Doch, Euer Gnaden. Für zehntausend Rubel verriet der Gardehauptmann Nikolai Georgijewitsch Gurjew den Plan der Befreiung. Am gleichen Tag noch wurde der Zar mit seiner Familie getötet. Die anderen Offiziere neben Gurjew fielen im Kampf oder erschossen sich selbst. Nur Gurjew, er allein, lebt! Gesund und frei … mitten unter den Roten … in Tjumen … Genügt das als Beweis?«
    Koltschaks Gesicht war wächsern geworden. Er trat an das Fenster und starrte auf die Straße. Vor dem Haus wartete sein Wagen.
    »Das ist Lüge«, sagte Koltschak endlich.
    Genjka legte die Hände flach vor seine Brust. »Euer Gnaden … lügt ein Mönch?«
    Koltschak drehte sich um. Über sein Gesicht zuckte es wild.
    »Ich muß es glauben!« schrie er. »Wo soll er leben?«
    »In Tjumen. Im Schutz der Roten. Als einziger Überlebender der Verschwörer …«
    »Das ist wirklich ein Beweis.« Koltschak setzte sich. Er riß ein Blatt Papier zu sich und tunkte den Federhalter in das Tintenfaß. »Wie heißt er, Bruder Genjka?«
    »Gurjew. Nikolai Georgijewitsch Gurjew. Hauptmann der Garde von St. Petersburg.« In Genjkas Stimme schmetterte es wie mit Fanfaren. »Verheiratet ist er mit Nadja Grigorijewna Woronzowa. Sie ist immer bei ihm. Sie ist eine unbekannte Tochter Rasputins.«
    Koltschak sah auf. Der Federhalter fiel aus seinen Fingern.
    »Das ist doch wohl unmöglich!« sagte er rauh.
    Genjka, der irre Mönch, hob die Arme empor. »Die Wahrheit, Euer Gnaden, ist immer das Unglaubwürdigste …«
    Am Abend noch ging aus dem Stab des Admirals Koltschak ein Steckbrief hinaus an alle erreichbaren weißen Truppen.
    Jagt Nikolai und Nadja Gurjew wie wahnwitzige Wölfe!
    Rächt den Zaren!
    Schlagt Nikolai Gurjew tot!
    Der Abschied von den Dronows war kurz. Man umarmte sich, küßte sich auf beide Wangen und bat Gott, den anderen zu segnen. Ignat Iwanowitsch schenkte Gurjew die Karte Südrußlands, die er aus dem Atlas gerissen hatte.
    Am frühen Morgen fuhren sie ab. Der Wagen schwankte und ächzte, das Pferd wieherte fröhlich, Nadja hielt sich an der Karrenwand fest und winkte mit einer Hand, Gurjew lenkte das Pferd mit Zungenschnalzen und Zurufen, und die Dronows standen vor der Hütte und winkten zurück, bis der Tarantas auf die Straße bog und neben der Tura her zwischen Büschen und Bäumen verschwand.
    Außerhalb des Dorfes, am Flußufer, hielt Gurjew an, beugte sich zurück und holte aus einer Leinentasche eine rote Armbinde. Er streifte sie über und

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