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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in den Süden, zu den Weißen, zu Denikin. Reden Sie es ihm aus, Nadja … es ist eine Fahrt durch die Hölle. Im siebten Monat sind Sie jetzt, er sollte wirklich Rücksicht nehmen! Wollen Sie Ihr Kindchen im Straßengraben bekommen? Bleiben Sie, Nadja Grigorijewna.«
    Nadja sprach mit Gurjew darüber, als sie allein waren, umschlungen im Bett lagen und ermattet vom Glück an die Balkendecke starrten.
    »Laß uns hierbleiben, Niki«, sagte Nadja und streichelte seine wieder breit und kräftig gewordene Brust. »Laß uns die Augen schließen wie ein Biber, der überwintert. Laß uns auch nichts hören! Lassen wir die Zeit über uns hinweggehen, wie sie hinwegweht über die Taiga und die Flüsse, die Steppen und Wüsten. Was kümmert uns, was draußen geschieht? Ob Koltschak oder Lenin, ob Denikin oder Trotzki …«
    Gurjew seufzte. »Wenn alle so denken, gibt es kein Rußland mehr«, sagte er heiser. »Ich bin Offizier, ich habe meinem Vaterland die Treue geschworen. Wo ist es, dieses Vaterland? Zerstampft wird es von roten Horden, die mordend, brennend und schändend durch die Provinzen ziehen. Ist Mütterchen Rußland zu einer Hure geworden? O Nadjuscha, wenn du wüßtest, wie es in mir aussieht! Wie ich innerlich blute!«
    Er richtete sich auf und stützte sich über Nadja. Er sah ihre großen dunklen Augen, in denen Wehmut stand. »Aber welches Leben ist das? Ein Offizier, der sich im Stall verkriecht! Ein Gardehauptmann, der in Muschikkleidern über die Felder tappt und pflügt, weil er blind und taub sein will. Nadja! So soll ich leben?« Gurjew sprang aus dem Bett. Sein nackter Körper glänzte im fahlen Mondlicht, das durch das Fenster fiel.
    Nadja schwieg. Mit geschlossenen Augen lag sie da, nackt, mit hohem Leib, die Decke ballte sich auf der Erde, denn Gurjew hatte sie beim Aufspringen weggerissen. Wie aufgebahrt lag sie, die Hände über dem wachsenden Kind gefaltet. Gurjew überlief ein Zittern. Er schluckte mehrmals und kam auf leisen Sohlen zum Bett zurück.
    »Nadjuscha …«, stammelte er. »Mein Engel … Verzeih mir! Es ist aus mir herausgebrochen. Ich konnte es nicht mehr halten. Nun ist mir leichter.« Er kniete neben dem Bett und legte den Kopf auf ihren Leib.
    Nadja schüttelte den Kopf. Sie legte beide Hände auf die Haare Gurjews und streichelte seinen Verband.
    »Du sollst nicht unglücklich sein«, sagte sie leise. »Mein Vater, so wird behauptet, hat nur Unglück über die Menschen gebracht. Ich will darin nicht seine Tochter sein … ich will, daß du glücklich bist! Und wenn du glücklich bist, bin ich es auch, und unser Kind wird es ebenfalls sein … Wann fahren wir, Niki?«
    Ein Beben durchfuhr Gurjew. Er küßte die gespannte Haut unter sich und spürte an seinen Lippen das Zittern des Kindes.
    »Nadjuscha …«
    »Wohin, Niki?«
    »Nach Süden. Zur Armee von Anton Iwanowitsch Denikin. Die erste Begegnung mit weißen Truppen bedeutet unsere Freiheit!«
    »Wir fahren morgen.«
    Admiral Wladimir Wassiljewitsch Koltschak hatte in Jekaterinburg selbst die Villa Ipatieff besichtigt. Erschüttert stand er in dem Zimmer, in dem die Zarenfamilie erschossen worden war. Die Geschoßeinschläge hatten die Wände zerfetzt, Blut klebte noch an den Tapeten und im Flechtwerk der Fachwerkwand. Der Boden war noch von den Bolschewisten gescheuert worden, ehe sie aus der Stadt flüchteten.
    Im Haus des Polizeipräfekten leitete der von Koltschak beauftragte Richter Nikolai Sokolow die Untersuchung des Zarenmordes. Gefangene wurden verhört, Augenzeugen befragt, Spuren gesucht.
    Untersuchungsrichter Sokolow hatte viel zu tun. Die schnell vorrückenden Regimenter Koltschaks hatten einige bolschewistische Gruppen überrollt. Bei ihnen fand man sogar am Zarenmord Beteiligte, und wenn es auch nur die Posten waren, die außerhalb des Zimmers gestanden haben.
    Bauern führten Sokolow und Admiral Koltschak zu der Waldlichtung, auf der man die Zarenfamilie mit Schwefelsäure übergossen und dann verbrannt hatte. Man grub in dem Schacht nach … was man fand, waren ein paar Knochen, Knöpfe von Uniformen und Kleidern, eine Schnalle.
    Versteinert stand Admiral Koltschak vor diesem kläglichen Rest kaiserlicher Pracht.
    »Wir werden das rächen«, sagte er heiser, als er sich abwandte und zu seinem Wagen ging. »Ich werde nicht ruhen, bis ich Rußland von diesen Mördern unter der roten Fahne gesäubert habe. Bei Gott, ich werde lernen, grausam und unmenschlich zu sein!«
    Einen Tag bevor Admiral Koltschak zurück

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