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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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steckte sie mit einer Nadel fest.
    »Solange wir bei Rot sind, zeigen wir diese Fahne!« lachte er. Übermütig war er wie ein Knabe, der zum erstenmal sein Holzschwert schwingt. »Kommen wir in weißes Gebiet, wechseln wir die Farbe.« Er rückte seine Jacke zurecht. In den vergangenen Wochen hatte Nadja seine Uniformjacke geflickt, so gut es ging. Gurjew hatte es gewünscht. »Ob Rot oder Weiß … die Uniform ist immer noch ein guter Ausweis. Ein roter Gardehauptmann, das geht in die Knochen. Waren doch alles Soldaten, die Rotarmisten!«
    Fünf Tage schaukelten sie nach Süden, erreichten den Zusammenfluß von Tura und Tobol und hielten sich dann an die Uferstraße, die nach Kustanai, an der Grenze Kasakstans, führt. Am sechsten Tag, in dem Dorf Makinskaja, einem armseligen Flecken am Tobol hinter Kurgan, das sie umfahren hatten, hielt Gurjew an. Er konnte es nicht mehr mit ansehen. Nadja lag auf den Kisten, sich festklammernd, damit sie nicht bei dem Schütteln des Tarantas wegrollte, ihr Gesicht war leer und ausdruckslos, und ihre Augen starrten stumm in den Himmel, der über ihr schwankte. Sie hob den Kopf, als Nikolai das Pferd anhielt.
    »Ein Seil gerissen?« fragte sie müde. Ihre Stimme zerriß das Herz Gurjews. Er schüttelte den Kopf.
    »Wir unterbrechen hier, Nadjuscha«, sagte er. »Ein paar Tage erholen wir uns. Noch zwei Tagereisen, und die Steppe beginnt. Dann geht es schneller und besser, mein Engel.«
    Sie nickte, schloß die Augen und lächelte zum erstenmal seit drei Tagen. Das machte Gurjew glücklich, er sprang aus dem Wagen, nahm das müde Pferd am Zügel und ging zu Fuß in das Dorf Makinskaja.
    Als Gurjew den Tarantas vor einem halbwegs guterhaltenen Haus anhielt, kam ein Greis mit einem langen weißen Bart heraus, musterte den Offizier, sah die rote Armbinde und hob grüßend die Faust.
    »Willkommen, Genosse!« sagte der Greis. »Wasser für das Pferd? Ein wenig Heu? Für Sie ein Teller Borschtsch und einen Becher Kwaß … mehr haben wir nicht.«
    Gurjew sah sich um. Aus den Gärten sahen sie verstohlen zu ihm herüber. Feindliche, ängstliche Blicke.
    »Ich bin ein Freund«, sagte Gurjew betont. »Kann ich hier wohnen?«
    »Es gibt nur noch Freunde«, antwortete der Alte. Dann sah er die Frau auf den Säcken. Unsicher wurde er und kratzte sich den Bartansatz.
    »Wo sind die Männer?« fragte Gurjew ahnungsvoll.
    »Wo sollen sie sein, Genosse? Die Weißen haben sie mitgeschleppt, als sie Makinskaja eroberten. Alles, was laufen konnte – mitgenommen!« Er sah auf die rote Armbinde und schüttelte den Kopf. Gurjew lächelte schwach.
    »Was staunen Sie so, Väterchen?«
    »Ich war Soldat.« Der Alte sah in den blauen Himmel. Es war warm, der Staub wehte über das Land und legte sich auf das Gras. »Schon lang ist's her. Sie sind ein Gardehauptmann, nicht wahr? Und Sie tragen die rote Binde der Revolution. Wer versteht's? Ich bin eben ein alter Mann.«
    »Ein kluger Mann seid Ihr, Väterchen.« Gurjew trat nahe an ihn heran. »Zu den Weißen will ich. Zur Armee Denikin. Die rote Binde ist eine Lüge. Wo sind die Männer?«
    »Verschleppt von den Roten!« keuchte der Greis.
    »Und wie weit sind die Weißen entfernt?«
    »Keiner weiß es. Auf und ab geht es. Mal rote Kosaken, mal weiße Kosaken. Man kennt sich kaum noch aus! Vor einer Woche saß in meinem Haus der General Pechkow … vor zwei Tagen soff sich hier der Kommissar Jewgenerow unter die Bank. Wo ist weiß? Wo ist rot? Keiner weiß es. Nur Prügel bekommen wir von beiden – das wissen wir …«
    Nadja und Nikolai schliefen einen ganzen Tag und eine Nacht im Haus des Alten, so erschöpft waren sie. Dann badete sich Nadja nach acht Tagen wieder in einem Holzzuber im Stall, Nikolai bürstete sie ab, frottierte sie, dann stieg auch er in den Zuber, ließ neues heißes Wasser dazugießen und sich von Nadja abschrubben. Danach fühlten sie sich wie neugeboren und sagten sich, daß sie Kraft genug hätten, die Reise durch die Steppe, hinein in das weite Kasakstan, fortzusetzen.
    Gegen Mittag war's, als Schreie, Pferdegetrappel, Rufe, Räderrollen und Kommandos die Stille Makinskajas zerstörten. Gurjew und Nadja saßen gerade beim Essen und kauten Kartoffeln mit einer Specksoße, als der Greis in das Haus lief und sich den Bart raufte.
    »Rote sind's!« jammerte er. »Eine wilde Horde. Sie ziehen nach Süden, um die weißen Kosaken zu vernichten. Drei Kanonen haben sie bei sich, Granatwerfer und Maschinengewehre. Wollen Sie sich

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