Die Tochter des Tuchhandlers
Orte betroffen wären.«
»Ja , capitano, la morte nera . Als wir Mailand nicht länger halten konnten, haben wir die Stadt den Franzosen überlassen, die jetzt nichts damit anfangen können. Es gibt nichts zu essen dort, nur Leichen und Ratten.«
Der Connétable Charles de Bourbon hatte Mailand erst als Vizekönig für Franz I. gehalten und sich dann, nachdem er beim König in Ungnade gefallen war, auf die Seite Karls V. geschlagen. Als weitsichtiger Stratege und Feldherr hatte Bourbon erkannt, dass es vorteilhafter war, den Franzosen die verwüstete Stadt zu überlassen und weiter nach Lodi, Cremona und Pavia zu ziehen, um diese Städte für den Kaiser zu sichern. In der ghibellinischen Stadt Pavia hatten einst die Langobardenkönige gethront. Seit mehreren Monaten wurde Pavia jetzt von viertausend Deutschen und Spaniern unter Graf Eitel Fritz von Zollern, Johann Baptista von Lodron und Antonio de Leyva gegen die Belagerung durch die Franzosen verteidigt.
Tomeo war im Kloster Bobbio von Gian Marco erwartet worden, der ihm von seinem Kommandanten zur Verfügung gestellt worden war. Obwohl Tomeo gewöhnlich lieber allein unterwegs war, war er nun doch dankbar für Gian Marcos Begleitung, denn in seinen Satteltaschen klirrte es leise und verräterisch. Neben der Hochzeit seines Bruders waren diese Goldmünzen der wichtigste Grund für seine Reise nach Lucca gewesen. Das Geld war für das Heer des Kaisers in Pavia bestimmt, dessen Soldaten seit Monaten kaum einen Scudo erhalten hatten. Es hatte ihn und Connucci groÃe Mühe gekostet, die Mitglieder des GroÃen Rates in Lucca zu einer weiteren Abgabe für den Kaiser zu überreden. Aber da es um die Sicherheit ihrer Stadt und damit um ihren Wohlstand ging, hatten sie letzten Endes zugestimmt. Ausschlaggebend war die Stimme des gonfaloniere gewesen. Als Cesare Arnolfini, der seit einigen Wochen dieses Amt bekleidete, zähneknirschend seine Zustimmung gegeben hatte, folgten ihm auch die übrigen Ratsmitglieder. Der Winter war hart, die schlechten Ernten im Vorjahr hatten die Weizenpreise in die Höhe getrieben, und durch den Krieg liefen die Geschäfte mit Nordeuropa weniger gut, so dass die Kaufleute mit ihrem Kapital gut haushalten mussten. Andererseits klagten diese immer über ihre missliche Lage. Die Lager konnten bis unter die Decken mit Stoffen oder Gewürzen gefüllt sein, sie würden trotzdem ihr Elend als arme Händler beklagen und den Käufer um einen höheren Preis bitten. Nun, das war ihr Geschäft.
Da Tomeo von klein auf für den Dienst an den Waffen bestimmt gewesen war, hatte er sich mit dem Geschäft nie befasst und es seinen Brüdern überlassen. Er war enttäuscht gewesen, dass Federico nur einen so geringen Betrag gegeben hatte. Er durchleide einen finanziellen Engpass, verursacht durch Alessandros Versagen in Antwerpen, hatte er behauptet. In dem darauffolgenden Streit hatte Tomeo feststellen müssen, dass sein Bruder sich verändert hatte. Er schien ihm verschlossener als früher, als habe er etwas vor ihm zu verbergen.
Tomeos Pferd rutschte auf dem eisigen Boden zur Seite und wieherte ängstlich. Er klopfte ihm beruhigend auf den Hals. Die Münzen wogen schwer, und auch wenn es nicht genug war, so würde es die Moral der Truppe doch heben, davon war Tomeo überzeugt. Er diente im Regiment von Fernando de Avalos, Markgraf von Pescara, einem treuen Anhänger des Kaisers. Pescara und Bourbon waren charismatische Heerführer, aber auch sie konnten den Haufen wild zusammengewürfelter Soldaten auf Dauer nicht ohne Sold bändigen.
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Sowohl Karl V. als auch Franz I. hatten den Papst bedrängt, sich für eine Seite zu entscheiden, doch der lieà verkünden, dass er seine Entschlüsse vom Ausgang der Schlacht bei Pavia abhängig machen wolle. Durch das Zögern von Clemens VII. würden viele Männer sterben. Allein dafür hasste Tomeo diesen Papst.
Vor ihnen zog ein Bauer mit einem Ochsenkarren durch das Klostertor, und sie wurden mit eingelassen. Tomeo sprang von seinem Pferd und führte es zu den Stallungen. Für heute Nacht schienen sich noch mehr Besucher eingefunden zu haben, denn drei weitere Reitpferde standen in den Boxen. Die Tiere waren offensichtlich eben erst abgerieben worden. Ihr Fell glänzte feucht, und sie tänzelten unruhig hin und her. Ein junger Mönch wies ihnen die Stellplätze für
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