Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Schmerz
trieb ihr die Tränen in die Augen. Blut tropfte auf das Holz der Arbeitsplatte.
Sie nahm ein Tuch, tunkte es in einen Eimer Wasser und wickelte es um ihre Hand.
Der Schmerz ließ kaum bemerkenswert nach. Voller Wut nahm sie das Messer, schnitt
die ungeschabte Rübe und tat die groben Stücke so wie sie waren in den Topf.
»Sie will
uns alle zum Narren halten!«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Aber mit mir nicht! Ich finde heraus, was du für Geheimnisse hast. Auch so eine
wie du macht Fehler und Gnade dir, wenn ich dich dabei erwische.«
Jolanthe trug einen Korb mit schmutziger
Wäsche und ging hinter Katrein durch das Stadttor. Unauffällig blickte sie sich
um. Sie entdeckte Pascal neben dem Tor. Er hatte also ihre Nachricht bekommen und
wartete nun, mit der Schulter an die Mauer gelehnt, so als habe er nichts Besseres
zu tun, als die Wäscherinnen zu beobachten. Er musste sie gesehen haben.
Dieser Waschtag
war Jolanthe gerade recht gekommen. Je unauffälliger sie sich vom Haus entfernen
konnte, desto besser. Sie hatte schon genug Ausflüchte gebraucht, um sich heimlich
mit den Biberacher Webern zu verständigen.
Katrein
plauderte kurz mit einer Magd, die die Ärmel ihres Kleides hochgekrempelt hatte
und dennoch nicht hatte verhindern können, dass sie bei der Arbeit durchnässten.
Jolanthe grüßte eine Nachbarin und lobte deren kleinen Jungen, als er ihr ein selbst
gebasteltes Schiffchen zeigte. Sie suchten sich einen freien Platz, und Jolanthe
begann in ihrem Korb zu wühlen.
»Katrein,
ich habe mein Kleid vergessen! Das muss unbedingt gewaschen werden, denn das, welches
ich am Leib habe, ist mir gestern beim Kochen verdreckt. Nun sind beide nicht mehr
tragbar.« Sie zeigte auf einen handtellergroßen Fleck, den sie sich am Morgen mit
Hilfe der Fischsuppe vom vorigen Tag an den Ärmel geschmiert hatte.
»Ihr habt
nichts gesagt«, antwortete die Magd.
»Dich trifft
keine Schuld, ich habe es vergessen. Ich laufe rasch zurück, um es zu holen.«
Katreins
Erleichterung darüber, dass sie nicht für den Fehler verantwortlich gemacht wurde,
war unübersehbar. Eifrig wandte sie sich der Arbeit zu und beachtete Jolanthe nicht
mehr. Die drehte sich um und rannte zurück zum Stadttor. Pascal war nicht mehr zu
sehen, und sie vermutete, dass er sich in Deckung begeben hatte. Jolanthe vergewisserte
sich, dass niemand sie beobachtete. Dann bog sie ab und lief zwischen ein paar Büschen
hindurch, sodass sie vom Waschplatz nicht mehr gesehen werden konnte.
Pascal lehnte
an der Stadtmauer und schaute ihr entgegen. Er lächelte nicht, und das war ihr recht
so. Es tat weh genug, ihn da stehen zu stehen, so vertraut und doch so fremd. Martha
glaubte immer noch, man könne ihm trauen, nicht nur, was das Geschäftliche anging.
Jolanthe zweifelte mehr denn je.
»Hast du
Nachricht von deinem Freund?«, fragte sie und hielt sich in ausreichendem Abstand
zu ihm.
»Er hat
gute Baumwolle erstanden. Er schreibt, es gab Probleme auf dem Hinweg. Sie hatten
einen Überfall. Offenbar wachen die Wegelagerer aus ihrem Winterschlaf auf.«
»Das bedeutet?«
»Es wird
gefährlicher zu reisen, ganz einfach.«
Ganz einfach.
Wollte er sie auf den Arm nehmen, oder warum erzählte er ihr Offensichtliches? Seine
neutrale Haltung machte sie nun doch nervös. Sie rieb sich die Oberarme, blickte
an ihm vorbei und wechselte das Thema.
»Ich habe
mit zwei Biberacher Webereien Kontakt aufgenommen, die früher für uns gearbeitet
haben. Eine ist interessiert an dem Handel.«
»Sie nehmen
die Baumwolle, die du ihnen bringst, und stellen davon Barchent her?«
»Zu einem
sehr günstigen Preis. Der Weber kam persönlich nach Ulm, um mit mir zu reden.«
»Gut.« Zum
ersten Mal zeigte sich ein Anflug von einem Lächeln auf Pascals Gesicht.
»Du wirst
eine Entlohnung für deine Vermittlung bekommen«, fügte Jolanthe hinzu.
Pascals
Lächeln verschwand. Er nickte nur so, als habe er nichts anderes erwartet. Jolanthe
schaute auf den Boden, wartete, ob er noch was zu sagen hatte, aber die drückende
Stimmung blieb, und die konnte sie nicht mehr ertragen.
»Kann ich
dir trauen?«, fragte sie unvermittelt, ohne ihn anzusehen.
»Das tust
du, sonst würdest du keine Geschäfte mit mir machen«, kam die Antwort.
»Ich hoffe,
das muss ich nicht bereuen. Du weißt, wie du mich erreichst, aber es ist besser,
wenn du wartest, bis ich Kontakt aufnehme.«
Er sagte
immer noch nichts, tat nichts, stand nur da. Ein kurzer
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