Die Todesbotschaft
Hand nach ein wenig Geld ausstreckte.
Anstatt ihr jedoch Geld zu geben, ergriff sie die Hand und zog die junge Frau hinter sich her in ihre Wohnung, wo sie ihr auf ihrem Sofa ein Bett herrichtete und ihr heißen Tee einflößte. Gesa hatte fest vorgehabt, Eva-Maria nur so lange bei sich wohnen zu lassen, wie sie mit der Grippe kämpfte. Es sollte jedoch Wochen dauern, bis sie wieder einigermaßen hergestellt war.
Gesa merkte sehr schnell, dass ihre neue Mitbewohnerin ihr regelmäßig Geld aus dem Portemonnaie stahl und sich während ihrer Abwesenheit aus der Wohnung schlich, um Drogen zu besorgen. Immer wieder sprach sie mit ihr darüber, versuchte, sie zu einem Entzug zu überreden. Und immer wieder versicherte Eva-Maria ihr, dieses Vorhaben gleich am nächsten Tag in Angriff zu nehmen. Nur um ihr am Abend des nächsten Tages eine wortreiche Erklärung für ihr Scheitern aufzutischen.
Bis Gesa eines Abends nach Hause kam und Eva-Maria dabei erwischte, wie sie ihren Kleiderschrank durchprobierte. Schuldbewusst zog ihre Mitbewohnerin sie neben sich vor den Spiegel.
»Findest du nicht, dass wir uns ähnlich sehen?«, fragte sie und lächelte Gesas Spiegelbild an.
Und in diesem Moment war der Gedanke geboren. Sie und Eva-Maria waren tatsächlich der gleiche Typ, der Altersunterschied fiel nicht ins Gewicht, er würde niemandem auffallen. Gesa würde sich eine Woche Urlaub nehmen und mit Eva-Maria die Ausweise tauschen, damit sie sich in Rottach-Egern in einer Pension einmieten konnte. Anstatt als Gesa Minke würde sie sich als Eva-Maria Toberg in den Meldebogen eintragen.
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15
A drian und ich taten kein Auge zu in dieser Nacht. Anfangs suchten wir noch nach Ausflüchten und Erklärungen, die andere Schlussfolgerungen zuließen. Bis wir uns dem erdrückenden Gewicht der DVD s ergaben und uns die Köpfe zermarterten, wie es dazu hatte kommen können, dass vier nach außen hin ehrenwerte Geschäftsmänner, drei von ihnen Ehemänner und Väter, seit Jahren im Verborgenen eines der wohl widerwärtigsten Geschäfte betrieben und damit ihren Reichtum vermehrt hatten.
Kerstins Mutter hatte mehrfach zu ihrer Tochter gesagt, die Partner stünden mit einem Bein im Gefängnis. Was hätten wir getan, wenn unsere Mütter uns mit solch einer Feststellung konfrontiert hätten? Sie genau wie Kerstin bagatellisiert? Oder hätten wir mit unseren Vätern gebrochen, sie bei der Polizei angezeigt? Es gab keine einfachen Antworten auf diese Fragen, sondern nur einen schwer zu ertragenden Konflikt. Ich verurteilte meinen Vater, gleichzeitig versuchte ich immer noch verzweifelt, ihn in Schutz zu nehmen. Adrian hingegen verfluchte Carl für das, was er allem Anschein nach getan hatte. Wie aber sollte er gleichzeitig um ihn trauern können?
Nachdem wir in aller Herrgottsfrühe geduscht und auf dem Zimmer gefrühstückt hatten, verstauten wir Laptop und DVD s im Wandsafe und verlängerten unseren Aufenthalt um eine weitere Nacht. Auf dem Weg zum Parkplatz sahen wir uns nach allen Seiten nach möglichen Beobachtern um und ließen uns schließlich in die Sitze des Mietwagens fallen.
Der Weg zu Johannes führte uns über die Dörfer, wo an diesem frühen Sonntagmorgen noch alles zu schlafen schien. Wir hofften, Kerstins Vater zu Hause anzutreffen und auch ihm all die Fragen stellen zu können, auf die uns die anderen Partner bislang die Antworten verweigert hatten. Der Verlust seines einzigen Kindes würde ihn vielleicht zugänglicher machen. Als wir zwischen den Holzzäunen hindurch auf das alte Bauernhaus zufuhren, hielt ich vergeblich Ausschau nach Kerstins Pferden. Eigentlich hätten sie auf den Weiden stehen müssen, da sie bei dieser Witterung auch die Nächte im Freien verbrachten, wie sie mir einmal erklärt hatte.
Nachdem wir mehrmals geklingelt hatten, gingen wir um das Haus herum zu den Stallgebäuden. Aus dieser Entfernung hätten wir längst eines der Pferde schnauben hören müssen und nicht nur das Gezwitscher der Vögel und das Krähen eines Hahnes auf dem Nachbarhof. Ich drückte die Klinke der Stalltür hinunter und ging nach einem kurzen Zögern hinein, um gleich darauf eine Erklärung für die Stille zu finden: Die Boxen waren allesamt leer.
»Johannes muss die Pferde verkauft haben«, sagte ich traurig zu Adrian, der neben mir auftauchte. »Dabei war Kerstin so stolz auf ihre Zuchterfolge. Wie hat er das nur tun können? Es ist gerade so, als würde er ihre Spuren vernichten wollen.« Ich ging die Stallgasse
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