Die Todesbotschaft
entlang und las die Namenstafeln an den Boxentüren. Vor der von Robina, Kerstins Fuchsstute, blieb ich stehen. »Dieses Pferd hatte sie gerade erst gekauft. Sie war so glücklich …« Als ich in die Box sah, erstarrte ich. Unfähig, auch nur ein Wort herauszubringen, stand ich da.
»Was ist?«, fragte Adrian. Mit wenigen Schritten war er bei mir und sah über meine Schulter. »Oh, nein!«
Ich wollte die Tür öffnen und Johannes berühren, mich vergewissern, ob stimmte, was ich befürchtete. Gleichzeitig wollte ich fortlaufen. Weit weg von diesem Ort, an dem Kerstins Vater halb über dem Hals ihrer toten Stute hing, neben sich im Stroh eine Pistole. Adrian ertrug den Anblick nicht, er lehnte sich mit dem Rücken an die gegenüberliegende Boxentür. Aus seinem Gesicht war alle Farbe gewichen.
Ich nahm all meinen Mut zusammen, drückte mich an der Boxenwand entlang um Robina herum, damit ich Johannes’ Gesicht sehen konnte. An seiner linken Schläfe entdeckte ich ein dunkel umrandetes Loch. Auch der Stute war in den Kopf geschossen worden. Ich bückte mich und berührte den Körper des Tieres. Er war noch warm. Wie in Zeitlupe streckte ich die Hand nach Johannes’ Hals aus und legte für Sekunden meine Finger darauf.
Ich wollte etwas sagen, aber meine Stimme versagte.
»Wir müssen sofort hier weg«, sagte Adrian. »Auf der Stelle!«
Aber ich konnte mich nicht bewegen, mich nicht von Johannes’ Anblick lösen. Bis Adrian mich packte, hinter sich herzog und zum Auto bugsierte. Während er Gas gab, drehte ich mich noch einmal um. Ein unbeteiligter Beobachter würde beim Anblick dieses Anwesens an eine Idylle denken. Eine Idylle, die dazu angetan war, eine heile Welt vorzugaukeln. Von außen deutete nichts auf die Scherbenhaufen, die sich im Inneren türmten.
Auf den ersten Metern sprachen wir kein einziges Wort, bis es aus mir herausbrach, und ich schluchzte. »Er war noch ganz warm, Adrian. Es kann gerade erst geschehen sein. Wenn wir vielleicht eher …« Sekundenlang verbarg ich mein Gesicht in den Händen. »Wir müssen die Polizei verständigen. Die müssen erfahren, dass schon wieder jemand umgebracht wurde. Dann …«
Mit seiner rechten Hand umschloss er fest meinen Unterarm, als könne er mir dadurch einen Halt geben. »Ich glaube, er hat erst das Pferd und dann sich selbst erschossen. Diejenigen, die die Morde begangen haben, würden sich nicht damit aufhalten, ein Pferd zu töten. Wozu auch? Nein, die ganze Situation sieht eher danach aus, als habe er die Mitschuld an Kerstins Tod nicht ertragen.«
»Vielleicht sollte es genau so aussehen.«
»Finja, überleg mal: Mit meiner Mutter, Hubert, Amelie und Kerstin sollten die Partner getroffen werden. Warum sollten diese Leute jetzt dazu übergehen, sich an den Partnern zu vergreifen? Das ergibt keinen Sinn.«
»Warum mussten wir dann so schnell dort weg? Du hast mir Angst gemacht mit deiner Eile. Ich dachte plötzlich, die würden irgendwo lauern und …«
»Ich wollte vermeiden, dass wir dort jemandem begegnen.«
»Aber wir können ihn doch nicht einfach so liegen lassen.«
»Wir fahren jetzt zu Alexander. Am besten überlassen wir es ihm, sich um seinen Freund zu kümmern. Er wird uns ohnehin einiges erklären müssen.«
Plötzlich packte mich ein ganz anderer Gedanke. »Die Polizei wird erst einmal untersuchen, ob Johannes sich tatsächlich umgebracht hat. Und dabei werden die sich nicht auf das Stallgebäude beschränken. Was ist, wenn in seinem Haus ähnliches Material gefunden wird wie das, das mein Vater in seinem Tresorraum hortet?«
»Aus genau dem Grund soll er sich ja darum kümmern.«
»Das ist, als würden wir sie decken und auch noch gemeinsame Sache mit ihnen machen«, sagte ich leise.
Adrian schwieg und atmete dabei schwer, als trage er einen inneren Kampf aus. »Willst du diejenige sein, die den Stein ins Rollen bringt? Die Inhalte der DVD s müssten dir doch eine Vorstellung davon vermittelt haben, was wir lostreten, würden wir all das an die Öffentlichkeit bringen.«
»Aber es deshalb einfach unter den Teppich kehren? Dann wird es niemals aufhören …«
»Mein Vater ist tot, Finja«, fiel mein Schwager mir ins Wort. »Bei ihm geht es nur noch um seinen Nachruf. Aber dein Vater lebt. Wie willst du damit leben, ihn ans Messer geliefert zu haben?«
Um diese Zeit würde er sein Bad im See längst hinter sich haben und auf der Terrasse bei einem Kaffee die Sonntagszeitung lesen. Und so trafen wir ihn auch an. Bis
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