Die Todesbotschaft
auch immer noch nicht den Mund aufgemacht. Er …«
»Warum habt ihr nicht die Polizei eingeweiht?«, fragte Adrian.
In einer resignierenden Geste breitete mein Vater die Arme aus. »Sag mir: Was hätte die Polizei ausrichten können, was uns nicht selbst gelungen wäre?«
»Die Todesanzeigen auf Fingerabdrücke untersuchen, zum Beispiel«, mischte ich mich ein.
Das sei selbstverständlich alles geschehen, versuchte mein Vater, mich zu beruhigen. Sie hätten die Briefe sogar auf DNA -fähiges Material untersucht. Leider ohne Erfolg. Ich fragte ihn, mit welcher Datei er denn mögliche Fingerabdrücke überhaupt hätte abgleichen wollen. Seine Antwort kam ohne Zögern: Er habe einen zuverlässigen Kontakt bei der Kripo, über den der Abgleich möglich gewesen wäre.
Was er sagte, hätte durchaus plausibel klingen können. Und in Adrians Ohren tat es das wohl auch, denn er schien am Boden zerstört zu sein. Mir stießen die Ungereimtheiten auf. Immerhin hatten die vier sich beim Gespräch in Carls Arbeitszimmer wegen der Briefe in zwei Lager gespalten. Carl und Johannes hatten sie als ernstzunehmende Drohungen dargestellt, Tobias und mein Vater als üble Scherze. Mein Vater hatte also schlichtweg gelogen.
Adrian saß erschüttert in seinem Stuhl und starrte vor sich hin. Dabei bewegte er den Kopf von einer Seite zur anderen. Ich nahm seine Hand in meine und hielt sie fest.
»Was sollte mit den Todesanzeigen eigentlich erreicht werden?«, fragte ich. »Wäre es dabei um einen dieser Mitschnitte gegangen, hätte Carl den doch spätestens nach Cornelias und Huberts Tod herausgerückt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er in aller Ruhe abgewartet haben soll, bis auch noch Kerstin und Amelie umgebracht wurden.«
»Carl konnte das Material nicht aushändigen«, sagte mein Vater, »denn er hatte es gar nicht. Über all die Jahre hinweg hat er seine heimlichen Geschäfte mit Hilfe eines Mannes getätigt, dessen Aufgabe es war, für ihn die Schmutzarbeit zu erledigen. Dieser Mann besitzt eine kleine Detektei und muss sich irgendwann gesagt haben, dass es ganz lukrativ sein könne, hin und wieder an Carl vorbei in die eigene Tasche zu wirtschaften. Mit den Mitschnitten hatte Carl nichts zu tun. Aber sein Kompagnon hat es ihm in die Schuhe geschoben, bevor er sich aus dem Staub gemacht hat. Als wir ihn schließlich aufgespürt und zur Herausgabe des Materials an die ausspionierte Person gezwungen haben, war es für Amelie bereits zu spät.«
»Ich will wissen, wer für ihren Tod verantwortlich ist«, presste Adrian hervor. »Ich will, dass dieses Monster bis an sein Lebensende hinter Gitter kommt.«
»Leider haben wir nicht erfahren, wer die Morde in Auftrag gegeben hat. Das war eine der Bedingungen gewesen, dass das Töten ein Ende hat«, schloss mein Vater. »Selbstverständlich haben wir uns daran gehalten«, fügte er nach einer kurzen Pause noch hinzu.
Ich sehnte mich danach, allein zu sein, um in Ruhe über all das nachdenken zu können. Um die Puzzlesteine logisch zusammenzusetzen. Es gab so vieles, das gegen die Version meines Vaters sprach. Warum zum Beispiel hatte Carl im Krankenhaus ausschließlich in der Mehrzahl gesprochen?
Wir
wollten Erfolg und Anerkennung.
Wir
wollten Macht. Dafür haben
wir
Tabus gebrochen. Hätte er mir in dem Zusammenhang nicht von den hehren Zielen bei der Gründung von
BGS&R
erzählt, hätte er mit
wir
auch diese andere Detektei meinen können, die mein Vater erwähnt hatte. Aber ich hätte schwören können, er hatte von sich und seinen drei Partnern gesprochen.
Ich betrachtete meinen Vater und vergegenwärtigte mir sein schauspielerisches Talent. »Womit beschäftigt sich Tobias’ Spezialabteilung eigentlich?«, fragte ich.
»Mit dem Personenschutz von Prominenten«, antwortete er ohne Zögern.
»Warum haben dann weder Adrian noch ich jemals davon gehört?«
»Bisher hat sich keiner von euch explizit dafür interessiert.«
Adrians Lachen hatte etwas Ungläubiges. »Ich soll mich nicht dafür interessiert haben? Ich habe euch allen ein Loch in den Bauch gefragt, bevor ich bei
BGS&R
angefangen habe. Warum hat damals keiner etwas von dieser Abteilung gesagt?«
»Mein Gott, Adrian, ihr drückt da einer Sache einen Stempel auf, den sie einfach nicht verdient. Tobias ist irgendwann einmal von einem Bekannten aus der Promiszene um Hilfe gebeten worden. Eigentlich hatten wir Partner ganz klare Abmachungen: Den Personenschutz überlassen wir anderen. Diese Sparte hat uns
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