Die Todesbotschaft
ich Boxershorts und ein schwarzes Polohemd zu meinen Sachen gestopft hatte, rannte ich hinunter, ließ den Rucksack neben der Haustür und ging wieder hinaus auf die Terrasse.
Mein Vater telefonierte immer noch. Inzwischen hatte er den Bootssteg erreicht, wo er auf seinen Stock gestützt auf und ab wanderte. In kurzen Abständen vergewisserte er sich, dass wir noch da waren. Als er sich gerade dem See zuwandte, schob ich den Laptop in meine Umhängetasche und brachte sie ins Wohnzimmer. Gleich darauf lief ich zum Bootssteg, um meinem Vater zuzuflüstern, dass es Adrian nicht gutgehe. Ich würde ihn ins Gästezimmer bringen, damit er sich ein wenig hinlege, und sei gleich zurück. Ich hätte noch ein paar Fragen an ihn und hoffte, er würde sich nach seinem Telefonat Zeit dafür nehmen. Mit einem Nicken setzte er seine Wanderung fort.
Dann nahm ich den völlig verstörten Adrian bei der Hand und zog ihn hinter mir her durchs Wohnzimmer. Nachdem ich Tasche und Rucksack eingesammelt hatte, verließen wir das Haus. Ich betete, dass die Schergen meines Vaters noch nicht wieder bereitstanden, um sich an meine Fersen zu heften. Während wir die Kiesauffahrt entlangliefen, verfluchte ich das Geräusch, das die kleinen Steinchen bei jedem unserer Schritte verursachten. Und das, obwohl es mein Vater vom Bootssteg aus keinesfalls hören konnte. Aber meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Adrian lief wie ein Schaf neben mir her. Er fragte nicht einmal, wohin wir gingen. Anstatt den Uferweg zum Seehotel Überfahrt einzuschlagen, wählte ich den Weg, der uns von hinten an das Hotel heranführte. Das Gehen schien meinem Schwager gutzutun, denn nach fünf Minuten hob er endlich ein wenig den Kopf. Er sagte immer noch nichts, schien aber zumindest ein paar Lebensgeister zu spüren. Als uns eine junge Familie entgegenkam, betrachtete er sie so voller Sehnsucht, dass es mir fast das Herz zerriss.
Im Hotel wollte Adrian sich sofort auf unser Zimmer zurückziehen, aber ich schlug vor, dass wir uns erst noch einen Moment auf die Terrasse in die Sonne setzten. Ich musste etwas trinken und auch etwas essen, sonst würde ich in der nächsten halben Stunde aus den Latschen kippen. Adrian hatte keinen Hunger und wollte am liebsten einen Whiskey trinken, woraufhin ich ihm einen Vogel zeigte. Er sei bisher nicht in die Fußstapfen seines Vaters getreten und solle es auch jetzt nicht tun. Während ich uns bei der Kellnerin Croissants, Marmelade und Kaffee bestellte, starrte er auf den See hinaus.
Um uns herum waren einige Tische besetzt, aber niemand saß so nah, dass er unsere Unterhaltung hätte mithören können. Die Leute, die in dieser sonntäglich entspannten Atmosphäre frühstückten, schienen allesamt Pläne für ihren von der Sonne beschienenen Urlaubstag zu schmieden. Wie gerne hätte ich mich zu ihnen gesellt und nur für ein paar Stunden alles andere vergessen.
Nachdem die Kellnerin unser Frühstück gebracht hatte, machte ich mich mit knurrendem Magen darüber her, während Adrian nach wie vor alles verweigerte.
»Wie konnte er nur?«, presste er schließlich hervor.
Im Gegensatz zu ihm nahm ich die Frage wörtlich und überlegte, wie diese ominöse Detektei, die für Carl die Drecksarbeit erledigt haben sollte, all das überhaupt zustande gebracht hatte. Bei den DVD s handelte es sich um eine reichhaltige Ernte. Dafür mussten zahlungskräftige Opfer ganz gezielt ausgesucht worden sein, um sie dann so lange zu beschatten, abzuhören und heimlich zu filmen, bis etwas Verwertbares dabei herausgekommen war. Für Medien würden derartige Informationen einem Lottogewinn gleichkommen. Dementsprechend tief hatten die Bespitzelungsopfer ganz sicher in die Tasche greifen müssen.
Adrian war gedanklich an einem ähnlichen Punkt angelangt. Nur war er mir insofern einen Schritt voraus, als er bereits eine Entscheidung getroffen hatte. »Dein Vater hat recht: Das Beste wird sein, alles zu vernichten. Und zwar gleich hier im Hotel.« Während er das sagte, kamen ihm die Tränen. Er fuhr sich mit der weißen Stoffserviette über das Gesicht. »Lass uns gleich hochgehen, Finja. Bitte. Ich habe das Gefühl, dass ich erst dann wieder ein wenig zur Ruhe kommen kann, wenn wir das hinter uns haben.« Er sah mich hilfesuchend an.
»Einverstanden«, sagte ich nach einem Moment des Zögerns. »Aber lass uns bitte erst in Ruhe zu Ende frühstücken, ja?«
Während er ein winziges Stück von dem Croissant abbrach, es mit Himbeermarmelade
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