Die Todesbotschaft
und ich hatten uns gerade erst gesetzt, als sich zeigte, dass nicht nur ich für Begleitschutz gesorgt hatte. Tobias begrüßte uns mit einem knappen Nicken, bevor mein Vater den Kellner um einen anderen Tisch bat.
»Glaubst du, wir hätten Wanzen in der Blumenvase versteckt?«, fragte ich in einem Anfall von Galgenhumor.
Ohne eine Reaktion wandte sich mein Vater um und wies mit seinem Stock zu einem Tisch am anderen Ende des Innenhofs. Er und Tobias gingen voraus, Adrian und ich folgten ihnen in geringem Abstand. Alles an ihnen drückte Souveränität aus, ihre Haltung, ihr Gang, ihre eleganten Anzüge. Sie wirkten wie Männer, die sich ihrer Macht bewusst waren, es jedoch nicht nötig hatten, dieses Attribut zu betonen.
Zuletzt hatte ich meinen Vater am Tegernsee gesehen, kurz nachdem sich Johannes umgebracht hatte. Sein Gesichtsausdruck an jenem Vormittag war mir noch deutlich in Erinnerung – man hatte ihm die Erschütterung angesehen. Jetzt war nichts mehr davon zu erkennen. Ich betrachtete ihn mit einer Mischung aus Abwehr und Traurigkeit.
Nachdem wir unsere Bestellungen aufgegeben hatten – Adrian und ich widerstrebend, die beiden Partner mit großer Selbstverständlichkeit – rutschte mein Vater näher an den Tisch heran und beugte sich vor.
»Es ist wohl am besten, wir klären die unangenehmen Dinge, bevor das Essen serviert wird«, sagte er. »Habt ihr die Datenträger mitgebracht?«
»Ich habe dir bereits am Telefon gesagt, dass wir nur drei hatten. Wenn euch acht fehlen, habt ihr euch entweder verzählt, oder es gibt so etwas wie natürlichen Schwund in euren Reihen.«
»Kann es sein, das du die Angelegenheit nicht ernst genug nimmst, Finja?«, fragte Tobias. »Die Ereignisse der vergangenen Wochen sollten dich eigentlich eines Besseren belehrt haben.«
Allein die Tatsache, dass ich keine Chance gegen sie haben würde, wenn ich meine Fassung verlor, half mir, nach außen hin Ruhe zu bewahren. »Carls Bericht nach zu urteilen, bist du an den Ereignissen der vergangenen Wochen nicht ganz unschuldig, Tobias. Was hast du gefühlt, als du an all den Gräbern gestanden hast? Hast du überhaupt etwas gefühlt? Oder hast du immer nur an Mathilde gedacht? Diese wunderschöne, zarte, blonde Krankenschwester.« Ich ließ einen Moment verstreichen, bevor ich weitersprach. »Wie muss man gestrickt sein, um einer Toten mehr Gewicht zu verleihen als den Lebenden? Möglicherweise hättest du alle vier retten können, hättest du nur rechtzeitig den Mund aufgemacht. Kommt da ein irgendwie geartetes Gefühl einer Mitschuld auf?« Mein Herz klopfte bis zum Hals.
»Finja, es reicht«, sagte mein Vater in freundlichem Ton.
Ich beachtete ihn nicht, schluckte gegen meinen hohen Puls an und nahm all meinen Mut zusammen. »Wie kommst du damit zurecht, dass die Frau, die du heiraten wolltest, vermutlich von eurem Steuermann umgebracht wurde? Von einem, der nicht nur mit dir und den anderen in einem Boot gesessen hat, sondern der auch noch den Kurs bestimmt hat. Der damals sogar in Verdacht geraten ist, dem man jedoch nichts nachweisen konnte.« Ich sah zwischen beiden Männern hin und her. Es war nur ein kurzer Moment, in dem der Schreck in ihren Augen zu sehen war, dann hatten sie sich wieder gefangen. Aus dem Augenwinkel nahm ich Adrians irritierten Blick wahr.
»Was ist das für ein Unsinn?«, fragte mein Vater schließlich.
»Vielleicht ist es tatsächlich Unsinn, vielleicht aber auch nicht. Carl hat geschrieben, der Stammkunde, der ganz offensichtlich ein perverses Vergnügen daran hat, sich seine eigenen Morde immer wieder auf DVD anzusehen, sei euch persönlich bekannt. Natürlich wird er bis vor kurzem genauso wenig wie alle anderen Kunden eurer Spezialabteilung gewusst haben, wen er da eigentlich über Mittelsmänner damit beauftragt hat, ihm Informationen zu beschaffen. In seinem Fall ging es um Informationen über einen Wettbewerber, den er aus dem Feld zu schlagen hoffte. Und welche nachrichtenträchtige Übernahme hat es in jüngster Vergangenheit gegeben?« Ich sah zwischen beiden hin und her. »Die von
Drehse Biotech
durch die Carstens-Gruppe. Und das, obwohl dem Konkurrenten im Vorfeld die besseren Chancen eingeräumt worden waren.« Ich ließ ein paar Sekunden verstreichen und wandte mich Adrian zu.
»Der Aufsichtsratsvorsitzende dieser Carstens-Gruppe«, klärte ich ihn auf, »ist übrigens Thomas Niemeyer und war, wie du bestimmt weißt, Steuermann in der Rudermannschaft unserer Väter. Zu dem
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