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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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werden, das wünschte ich Cornelia und Hubert. Es war eine friedliche Vorstellung, die mich in ihrem Bann hielt, während die Trauergemeinde ein paar Minuten später an den Särgen Abschied nahm.
    Da die anschließende Beerdigung nur im engsten Familien- und Freundeskreis stattfinden sollte, blieben wir sitzen, bis die Kirche sich geleert hatte. Als ich meinen Eltern zum Ausgang folgte, hörte ich hinter mir Amelies aufgebrachte Stimme.
    »Carl, bitte! Steh auf und komm mit uns.« Es gelang ihr nur mit Mühe, ihre Lautstärke zu drosseln.
    Wir drehten uns um. Adrian stand wie angewurzelt im Kirchengang, während Amelie versuchte, Carl am Arm hochzuziehen. Er lehnte sich jedoch zur entgegengesetzten Seite und gab sich alle Mühe, ihr seinen Arm zu entziehen. Als sein lautes Rülpsen durch das Kirchenschiff hallte, gab sie auf und lief tränenüberströmt an uns vorbei. Adrian schien sich immer noch nicht rühren zu können und starrte auf seinen Vater. Erst als meine Mutter zu ihm ging und ihm auftrug, sich um seine Frau zu kümmern, setzte er sich in Bewegung.
    Mein Vater legte Carl eine Hand auf die Schulter. »Reiß dich zusammen!«, fuhr er seinen Freund an.
    Doch Carl schien ganz woanders zu sein. »Ich bringe dieses Schwein um«, lallte er. »Ich bringe …«
    »Carl«, sagte meine Mutter leise, setzte sich neben ihn und umschloss mit beiden Händen seine geballte Faust. »Willst du den beiden diese letzte Ehre verwehren?« Sie sah ihn von der Seite an. Eine ganze Weile blieb sie so neben ihm sitzen. Dann stand sie auf und zog ihn mit sich. »Komm … bitte.«
    Wie ein Kind, das an die Hand genommen wird, folgte ihr Carl. Wir hatten die Tür noch nicht ganz erreicht, als er sich schweißüberströmt gegen die Mauer sinken ließ.
    »Ich kann nicht …« Die Worte kamen wie ein Gurgeln aus ihm heraus.
    Meine Mutter nahm ein Papiertaschentuch, befeuchtete es im Weihwasserbecken und legte es ihm auf die Stirn. »Jetzt wird es gehen!«
    Carl war anzusehen, dass es ihn mehr Kraft gekostet hätte, sich ihrer Entschlossenheit zu widersetzen. Also fügte er sich und verließ gemeinsam mit uns die Kirche. Die schwüle Hitze, die uns draußen empfing, war schon für uns eine Tortur, Carl brachte sie noch näher an einen Zusammenbruch. Schwer atmend quälte er sich an liebevoll bepflanzten Gräbern vorbei den Hügel hinauf.
    Am Graszhoffschen Grab wartete bereits die kleine Gruppe aus Familie und Freunden. Die meisten hatten ihre Augen hinter dunklen Sonnenbrillen verborgen, einige fächelten sich Luft zu. Während die Särge nacheinander in die Tiefe gelassen wurden, hielt ich mich am Anblick der bewaldeten Hänge im Hintergrund fest. Einen Moment lang schien die Zeit stillzustehen. Es war ein Flirren in der Luft, das selbst die Vögel für Sekunden verstummen und mich das Atmen vergessen ließ.
    »Ich werde dieses Schwein umbringen.« Carls Stimme hatte etwas von einem Donnergrollen, das unaufhaltsam näher kam. »So wahr mir Gott helfe. Ich werde dieses Schwein umbringen. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.« Mit geballten Fäusten sah er anklagend in den Himmel. Schweiß rann in Bächen über sein Gesicht.
    Amelie und Adrian, die links und rechts von ihm standen, sahen sich hilfesuchend an. Da trat meine Mutter auf ihn zu, löste seine Finger, schob ihm den Griff der kleinen Schaufel in die Hand und streute mit ihm Sand auf die Särge. Schließlich gab sie ihm einen weißen Blumenstrauß. Carl schluchzte, als er die Blumen betrachtete und sie schließlich dem Sand folgen ließ. Meine Mutter legte ihm den Arm um die Schultern und zog ihn ein paar Schritte vom Grab fort.
    Nach Amelie und Adrian warf ich einen Wiesenblumenstrauß und eine Handvoll Sand ins Grab. Dann ging ich zu Carl und beugte mich nah zu ihm. »Es tut mir so leid, Carl«, flüsterte ich. Sanft strich ich ihm über den Arm und machte Platz für meinen Vater.
    Als ich den Blick hob, entdeckte ich Elly, die auf einer der nahe gelegenen Bänke saß. Sie winkte mich zu sich herüber. Fast erleichtert, dem offenen Grab den Rücken kehren zu können, ging ich zu meiner früheren Kinderfrau und setzte mich neben sie.
    Elly verschränkte ihre Finger in meine. »Von all den Frauen, die bei euch ein- und ausgegangen sind, war sie mit Abstand die netteste«, sagte sie in einem Ton, als spreche sie von der Ungerechtigkeit, dass es nicht eine getroffen habe, um die es weniger schade gewesen wäre. »Sie war sich nie für etwas zu fein, hat keinen Unterschied

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