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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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diesem Tag offen trug, und eine kerngesunde Gesichtsfarbe.
    Während Johannes ein Stück Traubenzucker aus der Hosentasche zog, drückte sie mir links und rechts einen Kuss auf die Wange. »Ohne seine Sekretärin und mich läge er auch längst auf diesem Hügel«, flüsterte sie mir ins Ohr. Dann trat sie einen Schritt zurück und sagte: »Schade, dass du so bald schon wieder fliegst. Ich hätte dir so gerne noch meine neueste Errungenschaft vorgeführt.«
    Von Amelie wusste ich, dass Kerstin ihrer Pferdezucht eine junge Stute hinzugefügt hatte. Viele unterstellten der Neunundzwanzigjährigen, diese Zucht nur mit dem Geld ihres Vaters betreiben zu können. Dabei hatte er nur die Anschubfinanzierung geleistet. Kerstin war seit Jahren so erfolgreich, dass sie ihm das Geld längst zurückgezahlt hatte.
    »Du kommst doch auch noch mit zu den Graszhoffs, oder?«, fragte sie in meine Gedanken hinein. »Dann kann ich dir wenigstens von Robina erzählen.« Sie drückte meine Hand, legte den Arm um die Schultern ihres Vaters und schob ihn um sein Auto herum auf den Beifahrersitz. Nicht ohne noch einmal zu winken, setzte sie sich ans Steuer und fuhr los.
    Die Hitze war inzwischen genauso unerträglich geworden wie mein Durst. Ich sehnte mich nach kühlen Getränken und ähnlich temperierten Räumen. Nach einem kurzen Blick auf meine Eltern, die sich gerade von Carl verabschiedeten, lief ich voraus zum Auto. Wäre der Wagen meines Vaters vorwärts eingeparkt gewesen, wäre mir der Umschlag unter dem Frontscheibenwischer nicht aufgefallen. So aber stach er mir sofort ins Auge. Ich hatte ihn kaum unter dem Wischblatt hervorgezogen, als mein Vater meinen Namen rief. Die Schärfe in seinem Ton ließ mich erschreckt zusammenfahren. Ich wandte mich um und sah ihm irritiert entgegen, während er seinen Schritt beschleunigte und meine Mutter hinter sich zurückließ.
    Dicht vor mir blieb er stehen und schien nur Augen für diesen Brief zu haben. Ehe ich es mich versah, riss er mir den Umschlag aus der Hand und steckte ihn ein. Gleich darauf öffnete er die hintere Wagentür. »Steig bitte ein, Finja!«
    Ich sah hilfesuchend zu meiner Mutter, die im Begriff war, vorne Platz zu nehmen. In ihrem Blick spiegelte sich unverkennbar mein eigenes Befremden. Sie hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.
    Kaum hatte mein Vater den Motor gestartet, fand ich meine Sprache wieder. »Was war das denn eben?«, fragte ich. »Warum …?«
    »Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn jemand meine Post öffnet«, fiel er mir ins Wort.
    Die Situation kam mir so absurd vor, dass ich mich beherrschen musste, nicht zu lachen. »Erstens bin ich deine Tochter und nicht irgendjemand, und zweitens hatte ich gar nicht vor, den Brief zu öffnen. Ich hätte ihn dir gegeben.«
    Mit gespreizten Fingern fuhr er sich über den Kopf und atmete hörbar aus. »Entschuldige, Finja, diese Beerdigung hat mir einfach zugesetzt.« Er klang völlig erschöpft.
    Unsere Blicke kreuzten sich im Rückspiegel, bis ich den Kopf drehte und zum Fenster hinaussah. »Johannes hatte auch einen Brief unter dem Scheibenwischer. Als er ihn gelesen hat, ist ihm schwindelig geworden und er musste sich am Auto abstützen.«
    »Bei seinem Übergewicht ist das kein Wunder«, meldete sich meine Mutter zu Wort. »Er müsste endlich mal zur Kur und abspecken.«
    »Als ich ihm helfen wollte, hat er behauptet, er sei mit dem Fuß umgeknickt.«
    Von schräg hinten sah ich, wie meine Mutter ihre Augenbrauen hob. Ihr Ton war spöttisch, als sie sagte: »Würdest du gegenüber einer jungen Frau zugeben, dass deine Fettpolster dir zu schaffen machen? Da würdest du das Problem doch auch lieber auf den Fuß verlagern, oder?«
    »Besser hätte ich es nicht ausdrücken können«, pflichtete mein Vater ihr bei. Er schien erleichtert über diese Wendung.
    »Warum hinterlassen Leute Trauerbriefe auf Windschutzscheiben?«, fragte ich, obwohl es mich weit mehr interessierte, warum sowohl Johannes als auch mein Vater so seltsam reagiert hatten.
    »Von wem war denn der Brief überhaupt?« Meine Mutter sah meinen Vater fragend von der Seite an.
    Anstatt ihr zu antworten, drückte er auf die Hupe, um den Fahrer vor ihm zu einem zügigeren Tempo aufzufordern. »Mein Gott«, schimpfte er, als es ihm nicht gelang, »ich frage mich, warum diese Touristen nicht einfach zu Fuß gehen, da kämen sie genauso schnell voran.«
     
    Im Haus der Graszhoffs wurden in unzähligen Gesprächen Erinnerungen an Cornelia und Hubert

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