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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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konnte sie reden hören. An der Belanglosigkeit der Themen hatte sich offensichtlich nichts geändert. Ich zündete mir eine Zigarette an und blies den Rauch ins Freie, als über dem See die Lichter eines Feuerwerks aufblitzten. Bad Wiessee feierte sein Seefest. Angesichts der Schönheit der bunten Lichter am Himmel kamen mir schon wieder die Tränen. Cornelia, Hubert und Kerstin würden all das nie mehr zu Gesicht bekommen. Ich stellte sie mir in ihren Särgen vor, ein paar Meter unter der Erde, und weinte nur noch heftiger.
    Plötzlich stand mein Vater im Zimmer. Ich hatte ihn nicht kommen hören. Auf seinen Stock gestützt, sah er mich wortlos an. Einen Moment lang wirkte er fast hilflos. Bis er die Schultern straffte, auf mich zukam und seinen freien Arm fest um mich legte. »Fahr zurück nach Berlin«, sagte er nach einer Weile. »Du kannst hier nichts tun.«
    »Ich kann auf Amelie aufpassen.«
    »Auf Amelie wird aufgepasst, glaub mir.«
    »Hat auch jemand auf Kerstin aufgepasst, bevor sie starb? Auf Hubert und Cornelia? Und sind sie trotzdem gestorben?«
    Er schob mich ein Stück von sich und sah mich eindringlich an. »Finja, vertraust du mir?«
    Das Schlimme war, ich wusste es nicht mehr. »Bist du mein Vater?«, fragte ich.
    Er lächelte. »Darauf kannst du dich verlassen.«
    »Ich meine, bist du auch mein biologischer Vater? Oder ist Mutter vielleicht vergewaltigt worden?«
    »Wie kommst du denn auf die Idee?«
    »Dann hätte ich zumindest endlich mal eine Erklärung für ihre Distanz mir gegenüber.«
    Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Das habe ich dir schon so oft erklärt: Deine Geburt war langwierig und sehr schmerzhaft für sie. Dieses Trauma hat sie nie überwunden. Ich wünschte, es wäre anders gekommen, meine Große. Aber ich habe leider nicht alles in der Hand.« Er gab mir einen Kuss und verabschiedete sich mit den Worten, es liege noch einiges auf seinem Schreibtisch, das keinen Aufschub dulde.
    Nachdem er mein Zimmer verlassen hatte, wartete ich einen Moment, um schließlich die Tür zu öffnen und zu horchen. Als das Klacken seines Stockes in der Halle zu hören war, schlich ich ein Stockwerk tiefer in sein Ankleidezimmer und suchte nach dem schwarzen Anzug, den er auf der Beerdigung getragen hatte. Da mehrere schwarze dort hingen und für mich alle gleich aussahen, durchsuchte ich sie kurzerhand alle nach der Todesanzeige. Als ich sie nicht fand, zog ich vorsichtig die Wäscheschubladen auf, um mich schließlich in seinem Schlafzimmer umzusehen.
    Nur zu gerne hätte ich mein Tun damit gerechtfertigt, dass der Zweck die Mittel heilige. Aber ich hielt diesen Satz schon lange für falsch und wollte ihn auch jetzt nicht für mich gelten lassen. Was ich hier tat, ließ sich durch nichts rechtfertigen. Und dennoch konnte ich nicht davon lassen. Ich suchte sogar zwischen den Seiten der Bücher auf seinem Nachttisch. Vergeblich. Blieb noch der Abfallkorb in seinem Badezimmer. Aber auch hier fand ich die Anzeige nicht. Wäre ich auf dem Parkplatz des Friedhofs wachsamer gewesen, hätte er sie mir nicht entreißen können, und ich hätte jetzt etwas in der Hand. Etwas, das ich zur Polizei bringen oder Adrian zeigen konnte. Etwas, das bewies, dass im Kreise der Partner etwas Schreckliches im Gange war.
    Als ich sein Schlafzimmer verließ und gerade wieder hinauf in mein Zimmer gehen wollte, hörte ich unten das Handy meines Vaters klingeln. Er meldete sich sofort, musste also auf den Anruf gewartet haben. »Tobias! Gut, dass du anrufst«, hörte ich ihn sagen, dann folgte das Geräusch einer sich schließenden Tür. So schnell und so leise wie möglich lief ich die Treppe hinunter vorbei an den lebensgroßen Figuren über den kühlen Boden der Halle. Nur Sekunden später postierte ich mich vor der Tür seines Arbeitszimmers und drückte mein Ohr dagegen.
    »Ich weiß, dass wir darüber bereits geredet haben«, sagte mein Vater ungehalten, um dann sekundenlang zu schweigen. »Das ist mir alles bewusst. Aber deine Abteilung ist die einzige, die uns wirklich gefährlich werden kann. Im offiziellen Teil ist nichts, was irgendwie außergewöhnlich wäre. Carl, Johannes und ich sind heute alles noch einmal durchgegangen. Wir haben derzeit ganz normales Tagesgeschäft. Nichts, worüber einer von uns etwas in der Zeitung lesen möchte, aber auch nichts, was einem von uns gefährlich werden könnte. Bleibst also nur du.« Wieder hörte er zu, was am anderen Ende der Leitung gesagt wurde.

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