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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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»Tobias, ich verstehe deinen Standpunkt. Dennoch ersuche ich dich, alles noch einmal zu überprüfen. Auch wenn es weiter zurückliegt. Du musst etwas übersehen haben.« Wieder trat Stille ein. »Ich weiß, dass auch wir es bei weitem nicht nur mit den weißen Westen zu tun haben. Aber um das durchzuziehen, was hier gerade geschieht, braucht es eine gewaltige Portion an krimineller Energie. Tobias, ich beknie dich: Geh noch einmal mit der Lupe durch deine Akten. Und zwar schnell. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
    *
    Doktor Radolf erinnerte sie an ihren Vater. Gesa konnte die Tränen nicht zurückhalten. Die Trauer um ihre Eltern vermischte sich mit der um ihr Kind. Warum verlor sie alles, was sie liebte? Auch den Vater ihres Kindes hatte sie verloren. Sie musste ihn verloren haben, denn er kam nie, um sie zu besuchen.
    Wenn sie sich doch nur an das erinnern könnte, was vor ihrer letzten Begegnung geschehen war. Sie hörte seine Worte, als er ihr sagte, was sie in jener Nacht versucht hatte. Dass er ihr Kind in letzter Minute gerettet hätte. Vor ihr. Sie hatte ihn vor Augen, seinen erschütterten Blick. Seinen Abscheu. Wenn sie doch nur wüsste, wie es dazu gekommen war. Wenn sie es ihm hätte erklären können. Dann … vielleicht … mit etwas Glück … Sie verschränkte ihre Finger, bis sie schmerzten.
    »Gesa, was beschäftigt Sie gerade?« Doktor Radolf sah sie in einer Weise an, als könne sie ihm alles anvertrauen. Sein Blick war stets wie eine Einladung, die man annehmen konnte, wenn man es wollte. Die aber auch jederzeit wieder ausgesprochen werden würde, wenn man ablehnte.
    »Ich habe mein Gedächtnis verloren«, antwortete sie.
    »Zum Glück nur zum Teil. Sie erinnern sich doch, was davor und danach geschah, oder?«
    Sie nickte.
    »Wollen wir dann heute vielleicht über Ihre letzte Erinnerung vor diesem Ereignis sprechen?«
    Gesa strengte sich an. Es war nicht leicht, den Nebel zu durchdringen. Sie runzelte die Stirn. »Wo soll ich denn anfangen?«
    Doktor Radolf lächelte. »Vielleicht damit, was Sie an diesem Tag anhatten.«
    Es bedurfte nur dieses Stichworts, um ihr das Kleid in all seinen Details vor Augen zu führen. »Ich hatte mein Lieblingskleid angezogen.« Noch einmal spürte sie die Aufregung, die sie empfunden hatte, als er es ihr schenkte. »Es ist so ein Etuikleid, wissen Sie? Wie ein A geschnitten, braun mit cremefarbenen Grafiken. Dazu hatte ich hohe Korksandalen an. Kurz bevor ich schwanger wurde, hatte ich beides von ihm bekommen. Das Kleid passte mir endlich wieder. Ich war so stolz.« Die Erinnerung ließ ihre Augen leuchten, bis der Glanz von einem Moment auf den anderen erlosch. »Als wir uns trafen, war er anders als sonst. Er berührte mich nicht. Jeden Schritt, den ich auf ihn zuging, schien er von mir zurückzutreten. Und dann sagte er diesen Satz …« Gesa holte Luft. »Diesen Satz …«
    Doktor Radolf hielt ihrem flehenden Blick stand. Und er nickte, so wie man einem Kind zunickt, damit es sich traut, von der Mauer zu hüpfen – im Vertrauen darauf, aufgefangen zu werden.
    Sie entspannte ihre zusammengepressten Lippen. »Er sagte, wir müssten uns trennen. Seine Frau hätte das mit uns herausgefunden. Als hätte ich es verraten. Verstehen Sie das, Doktor Radolf? Ich hätte nie etwas verraten. Ich habe doch immer gelogen, wenn sie mich fragte, wer der Vater meines Kindes sei. Ich habe ihn angefleht, habe vorgeschlagen, mit ihm fortzugehen, mit ihm und unserem Kind. Aber er hat nur den Kopf geschüttelt. Und dann hat er sich umgedreht und ist gegangen.« Ihr Schluchzen hinderte sie daran, weiterzureden.
    Doktor Radolf reichte ihr Papiertücher. »Das muss Ihnen sehr weh getan haben, Gesa.«
    »Es war entsetzlich«, sagte sie nach einer Weile.
    »Was haben Sie dann getan? Können Sie sich daran erinnern?«
    »Ich wollte unbedingt noch einmal mit ihm reden. Aber er kam erst am Abend zurück. Und da setzte er sich sofort mit uns an den Abendbrottisch. Mit meiner Schwester und mir. Ich musste so tun, als wäre nichts. Dabei habe ich die ganze Zeit über innerlich gezittert.« Gesa nahm sich ein weiteres Papiertaschentuch und wischte sich damit über die Augen. »Ich habe den ganzen Abend über auf Kohlen gesessen. Ich hoffte, meine Schwester würde vor ihm schlafen gehen, aber sie blieb bei ihm sitzen. Bis er auf die Uhr sah und meinte, er habe noch etwas zu erledigen, wir sollten nicht auf ihn warten.« Gesa atmete so schwer, als drücke ein festes Band ihren

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