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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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irgendwann irgendwem den Tod. Das gehört dazu. Bedenklich wird es erst, wenn dieser Wunsch mit den Jahren nicht verblasst.« Sie fasste mein Kinn und drehte meinen Kopf so, dass ich sie ansehen musste. »Finja, deine Schwester ist tot, weil da draußen ein Mörder herumläuft. Nicht, weil du es dir vor einer Ewigkeit einmal gewünscht hast.« Sie zog ein Papiertaschentuch aus ihrer Dirndl-Schürze und reichte es mir.
    »Kannst du dir vorstellen, warum mich jemand als Amelies Halbschwester bezeichnet?«
    Elly sah mich an, als habe sie sich verhört. »Halbschwester, sagst du? Da muss jemand etwas in den falschen Hals bekommen haben.«
     
    Im ganzen Haus war es gespenstig still, alle waren ausgeflogen. Die Haushälterin meiner Eltern hatte die Nachricht von Amelies Tod so sehr mitgenommen, dass sie sich gleich nach ihrem Erscheinen am Morgen mit einem Weinkrampf bis zum nächsten Tag entschuldigt hatte. Und mein Vater hatte mir auf der Herfahrt eine SMS geschickt, er würde erst kurz vor dem Termin mit der Kriminalpolizei nach Hause kommen.
    Ziellos lief ich durch die Räume und wusste nicht, wohin mit mir. Es gab nichts, was ich hätte tun können. Und nichts, was dazu geeignet gewesen wäre, mich vom Grübeln abzuhalten. Der Gedanke an die Todesanzeige brachte mich fast um den Verstand. Wäre ich damit zur Polizei gegangen, würde meine Schwester vielleicht noch leben. Ich biss mir heftig auf die Lippen. Warum nur hatte ich mich darauf verlassen, dass mein Vater mit seinen Vermutungen richtiglag? Warum hatte ich es mir so einfach gemacht?
    Ein Gedanke schob sich in den Vordergrund, der mich die ruhelose Wanderung durchs Erdgeschoss abrupt abbrechen ließ. Hatte mein Vater den Brief wirklich vernichtet? Und wenn nicht? Dann würde ich mit etwas Glück für das Gespräch mit der Polizei etwas in der Hand halten.
    Ohne Zeit zu verlieren, ging ich ins Arbeitszimmer meines Vaters und sah mich um. In diesem Raum, in dem die Gegenstände entweder aus Chrom, Glas oder dunkelbraunem Leder waren, herrschte eine klare, maskuline Atmosphäre – alles war funktional und spiegelte eine gewisse Ordnungsliebe wider.
    Vor Jahren hatte ich die Wand gegenüber seinem Schreibtisch bemalen dürfen. Das Ergebnis war das Bild von vier Männern, die ein Ruderboot trugen und sich damit gegen den Sturm stemmten. Ihre Köpfe waren nicht zu sehen, die Körper allerdings so ausdrucksstark und realitätsgetreu, dass er und seine Partner unschwer darin zu erkennen waren.
    Als Erstes durchsuchte ich den Schreibtisch und die beiden darunterstehenden Rollcontainer. Danach nahm ich mir die Sideboards links und rechts der Zimmertür vor sowie den kniehohen quadratischen Tisch inmitten der Vierer-Sitzgruppe mit den Freischwingersesseln. Ich wurde jedoch nicht fündig.
    Ich wandte mich dem zwei Meter fünfzig mal drei Meter messenden abstrakten Ölgemälde eines belgischen Künstlers zu, das an der Wand hinter seinem Schreibtisch hing. Dahinter verborgen lag ein in die Wand eingelassener Raum, in dem ein Erwachsener gerade so stehen konnte. Betätigte man einen Schalter im unteren linken Rand des Rahmens, bewegte sich das Bild wie von Zauberhand nach links und gab eine Öffnung preis.
    Von mir hatte mein Vater nie erfahren, dass wir ihn als Kinder einmal dabei beobachtet hatten, wie er dieses Versteck öffnete. Und ich hoffte, dass Amelie ebenfalls dichtgehalten hatte. Natürlich hatten wir den Mechanismus damals selbst einmal ausprobiert – nur um festzustellen, dass in dem Raum lediglich Unmengen von Ordnern aufbewahrt wurden. Damit war unser Interesse schnell erloschen.
    Zweiundzwanzig Jahre waren seitdem vergangen, eine Zeit mit immensen technischen Fortschritten. Mein Vater hatte vielleicht nicht nur die Alarmanlage des Hauses so einstellen lassen, dass er jedes Mal per SMS informiert wurde, wenn jemand das Haus betrat oder verließ, sondern auch den Tresorraum mit einer solchen Kontrolle versehen. Selbst auf die Gefahr hin, dass er mich erwischte, musste ich es wagen.
    Mir blieb nicht mehr allzu viel Zeit, bis mein Vater nach Hause kam. Ich ging in die Knie und tastete nach dem Schalter. Lautlos bewegte sich das Bild zur Seite und gab schließlich den Blick in den kleinen Raum frei.
    Zu den Ordnern von damals hatten sich Berge von Datenträgern gesellt, alle fein säuberlich in den Regalen gestapelt. Konzentriert suchte ich nach dem Umschlag. Wenn, würde er sichtbar obenauf in einem der Regale liegen. In einem solchen Raum musste man nichts

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