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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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verließ das Haus. Ich war so unglaublich wütend auf ihn. Voller aufgestauter Emotionen setzte ich mich ins Auto und fuhr nach Holz, um mit Adrian zu sprechen. Die Wohnung in München war bis zum Abschluss der Spurensicherung versiegelt worden. Außerdem musste er sich um seinen Vater kümmern.
    Vor dem Tor der Graszhoffs schaltete ich den Motor aus und rief Eva-Maria an, die versucht hatte, mich zu erreichen, während ich das Arbeitszimmer meines Vaters durchsuchte. Im Nachhinein kam es mir wie ein Wunder vor, dass sie aus dem Schwall meiner Worte überhaupt schlau wurde. Völlig entsetzt über Amelies Tod war sie sekundenlang sprachlos. Dann riet sie mir, so schnell wie möglich nach Berlin zurückzukehren. Um diesen See herum sei in den vergangenen Wochen zu viel geschehen. In ihren Tonfall mischten sich Angst und Sorge um mich. Ich versuchte, mich davon nicht anstecken zu lassen und versprach, mich bald wieder zu melden.
    Über das Kopfsteinpflaster ging ich auf das Haus zu und strich mit den Fingern an den Stockrosen entlang. An dem Abend, als Adrian mir die Samenkapseln mitgebracht hatte, hatte Amelie zum ersten Mal die Bewegungen ihres Babys gespürt. Ich konnte nicht weitergehen und blieb mitten auf dem Weg stehen, als sei mir die Orientierung abhandengekommen. Bis Adrian von der Tür her meinen Namen rief. Ich hob den Kopf und sah ihn an. Er wirkte ebenso verloren wie ich. Seine Augen waren verquollen. Einen Fuß vor den anderen setzend ging ich auf ihn zu und blieb dicht vor ihm stehen. Fast gleichzeitig hoben wir unsere Arme, um uns aneinander festzuhalten. Das Zittern seines Körpers setzte sich in meinem fort. Minutenlang standen wir so, ohne ein einziges Wort zu sagen.
    »Wo ist dein Vater?«, fragte ich, nachdem wir hineingegangen waren.
    »Er sitzt in der Küche und trinkt. Geh ruhig zu ihm. Auf mich ist er gerade nicht gut zu sprechen. Dabei habe ich noch nicht einmal versucht, ihm den Whiskey wegzunehmen. Ich wollte nur, dass er duscht.« In einer erschöpften Geste hob mein Schwager die Hände, ließ sich dann auf eine der Holzbänke fallen und weinte. Als ich mich zu ihm setzen wollte, bat er mich, ihn einen Moment allein zu lassen.
    Ich lief auf Zehenspitzen in die Küche. Vom Türrahmen aus betrachtete ich Carl, der die Unterarme auf dem Küchentisch abgestützt hatte und in das halbvolle Glas in seinen Händen starrte. Seit der Beerdigung seiner Frau und seines Sohnes vor elf Tagen musste er mehrere Kilos abgenommen haben. Warum Adrian ihn zum Duschen hatte überreden wollen, war nicht nur optisch offensichtlich. Ich ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Hallo, Carl.«
    Er hob den Kopf und sah mich schwer atmend an. »Amelie …« Es klang, als sehe er einen Geist.
    »Nein, Finja.« Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich neben ihn. »Hat mein Vater dir Amelies Todesanzeige gezeigt? Oder hat er mit dir darüber gesprochen?«
    Anstatt zu antworten, starrte er mich an. Es war nicht einmal zu erkennen, ob er mich überhaupt verstanden hatte.
    Trotzdem musste ich es versuchen. »Gibt es jemanden, der euch erpresst? Will sich vielleicht jemand an euch rächen?« Ich wartete, aber er reagierte nicht. »Wenn du etwas weißt, Carl, musst du es der Polizei sagen. Sonst sterben möglicherweise noch mehr Menschen.«
    »Es hat keinen Sinn«, sagte Adrian von der Tür her. »Ich habe ihn all das auch schon gefragt. Aber er weiß nichts. Er ist genauso ratlos wie du und ich.«
    »Er weiß von den Briefen. Da bin ich mir ganz sicher.«
    Der Geruch nach Schweiß und Alkohol war kaum auszuhalten. Adrian ging zum Fenster und ließ frische Luft herein.
    »Wenn er allerdings so weitertrinkt, wird er seine Erinnerungen ersäufen«, sagte ich leise. »Kannst du nicht seinen Arzt kommen lassen? Vielleicht kann der etwas ausrichten.«
    »Der einzige Mensch, der wirklich etwas bei ihm hatte ausrichten können, ist tot.«
     
    Der Himmel hatte sich im Lauf des Nachmittags zu einer grauen Masse verdichtet. Trotzdem stach das Licht, das er hindurchließ, in meinen Augen. Ohne Sonnenbrille hielt ich es nicht aus. Vielleicht lag es aber auch daran, dass all meine Nerven völlig überreizt waren.
    Ich überraschte Elly inmitten ihrer Blumenbeete. Sie hatte das schwarze Dirndl vom Vormittag gegen die Gartenversion gewechselt. Als sie sich zu mir umdrehte, betrachtete sie mich in einer Weise, als müsse sie sich erst an diesen ungewohnten Anblick gewöhnen.
    Ich trug immer noch den Hosenanzug meiner

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