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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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zupfte Knöterichranken aus der kleinen Buchsbaumhecke, die das Grab umrandete und die einzige Bepflanzung war. »Ich weiß selbst so gut wie nichts. Nur dass sie die jüngere Schwester deiner Mutter war.«
    »Die jüngere Schwester meiner Mutter?«, brach es aus mir heraus. »Das muss ein Irrtum sein. Meine Mutter hatte gar keine Schwester.« Ich hob den Kopf und sah Elly in die Augen. Was ich darin las, fühlte sich an wie ein weiterer Schlag in die Magengrube. »Verstehe, sie hatte eine Schwester.« Es schien mir fast unmöglich, in dem ganzen Wirrwarr eine Ordnung zu erkennen. »Was ist mit meinem Vater? War der zuerst mit meiner leiblichen Mutter zusammen?«
    »Das musst du ihn fragen.«
    Ich betrachtete das Grab. Es sah aus wie jene Gräber, die von einer Gärtnerei betreut werden: gepflegt, jedoch ohne liebevolle Details. Offensichtlich war weder meinem Vater noch meiner Mutter daran gelegen. Sie hatten noch nicht einmal für einen Grabstein gesorgt. Das Holzkreuz sah aus wie ein Provisorium, das man vergessen hatte zu ersetzen.
    Ich fragte mich, wie lange meine Eltern noch hatten warten wollen, um mir von der Frau zu erzählen, die hier begraben war. Hatten sie abwarten wollen, bis ich eines Tages vielleicht heiratete und dabei meine Geburtsurkunde zu Gesicht bekam? Oder hatten sie tatsächlich gehofft, ungeschoren davonzukommen?
    »Können wir gehen?«, fragte Elly, der ihr Unbehagen deutlich anzumerken war. Ohne meine Antwort abzuwarten, kehrte sie dem Grab den Rücken.
    Ich warf einen letzten Blick darauf und lief dann hinter ihr her. »Elly, wie alt war ich genau, als du meine Kinderfrau wurdest?«, fragte ich, als ich sie eingeholt hatte.
    »Ein halbes Jahr.«
    »Vorhin hast du gesagt, meine leibliche Mutter hätte mich genau in dem Alter bei meinen Eltern gelassen. Zu dem Zeitpunkt waren die beiden längst verheiratet. Also muss mein Vater mit seiner Schwägerin ein Verhältnis gehabt haben. Richtig?«
    Elly gab einen Laut von sich, der einem Grunzen sehr nahe kam.
    In mir braute sich eine gehörige Wut zusammen. »Stellt sich die Frage, warum sie mich die sechseinhalb Jahre bis zu ihrem Tod nie besucht hat. Warum sie mich nicht bei sich behalten hat, anstatt mich ihrer Schwester zu überlassen. Oder war das vielleicht so eine Leihmuttergeschichte?« Kaum hatte ich den Gedanken ausgesprochen, verwarf ich ihn auch schon wieder. »Nein, Unsinn, wozu eine Leihmutter, wenn man selbst Kinder in die Welt setzen kann.« Ich löste die Spange, die meinen Zopf hielt, und fuhr mir durch die Haare, bevor ich die Autotür aufschloss.
    Elly ließ sich mit einem Stöhnen in den Sitz fallen und tupfte sich den Schweiß aus dem Dekolleté. Sie machte ein Gesicht, als würde ihr gerade erst so richtig bewusst, was sie getan hatte.
    »Hast du meine leibliche Mutter damals kennengelernt?«, fragte ich, als ich mich in den fließenden Verkehr einfädelte.
    »Nein.«
    »Hast du sie wenigstens zu Gesicht bekommen? War sie vielleicht mal zu Besuch da, und ich erinnere mich nur nicht daran, weil ich noch zu klein war?«
    »Ach, Finja, ich habe dir doch schon gesagt, dass es manchmal besser ist, die Dinge ruhen zu lassen.«
    »Siehst du das?«, flüsterte ich und starrte in den Rückspiegel.
    »Was ist?« Elly sah nach hinten.
    »Den silbernen Golf hinter uns habe ich auf der Fahrt zum Friedhof schon bemerkt.«
    »Davon gibt es ja auch nicht nur einen«, meinte sie. Ihre Erleichterung über den abrupten Themenwechsel war ihr anzuhören.
    »Aber es gibt nur einen mit diesem Kennzeichen und zwei Männern darin.« Ich fuhr noch ein paar hundert Meter weiter, bog in Gmund auf die Hauptstraße, die aus dem Tal hinausführte, und hielt kurz hinter der Kreuzung halb auf dem Bürgersteig. Einige Autofahrer kommentierten mein Manöver mit einem lauten Hupen. Die beiden Insassen des silbernen Golfs würdigten mich jedoch keines Blickes, als sie an uns vorbeifuhren. Während der fünf Minuten, die wir im Wagen warteten, erklärte mir Elly, meine Nerven seien überreizt, was in Anbetracht der schrecklichen Ereignisse auch kein Wunder sei.
    Auf ihr Geheiß hin ließ ich den Motor wieder an und fuhr weiter. Überzeugt war ich trotzdem nicht. »Sollten sie noch einmal in meiner Nähe auftauchen, rufe ich die Polizei«, sagte ich und achtete, bis wir in Osterwarngau ankamen, sowohl auf die Autos, die uns folgten, als auch auf die, die uns vorausfuhren. Den Golf konnte ich zum Glück nicht entdecken. Vielleicht lagen meine Nerven tatsächlich

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