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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Kameras mochten vielleicht Gelegenheitseinbrecher abschrecken. Profis, die ein klares Ziel verfolgten, war es ein Leichtes, Alternativen zu schaffen. Der Tod von Cornelia, Hubert und Kerstin bewies es.
    Ich hatte gehofft, mein Vater wäre zu Hause, aber sein Auto stand nicht in der Garage. Die Fragen, die ich ihm stellen wollte, waren mehr als drängend. Sie verursachten einen Schmerz, der sich zu der Trauer um Amelie gesellte, als wäre sie allein noch nicht genug.
    Nachdem ich den Hosenanzug meiner Mutter gegen Wickelkleid und Leggings gewechselt hatte, rauchte ich auf der Terrasse eine Zigarette nach der anderen, bis mir übel davon wurde und ich Herzrasen bekam. Vielleicht kam es aber auch von der Erschöpfung nach einer schlaflosen Nacht und einem unendlich langen Tag, der immer noch nicht zu Ende war.
    Als ich zum Bootssteg lief, kam zwischen den Wolken gerade die Abendsonne hervor und tauchte den See in ein friedliches Licht. Ich griff nach dem Tau, zog unser Ruderboot an den Steg und kletterte hinein. Mit aufgestellten Füßen auf der Bank liegend, überließ ich mich mit geschlossenen Augen dem Schaukeln des Bootes. Eigentlich hätte ich vor Müdigkeit augenblicklich einschlafen müssen. Stattdessen wanderten meine Gedanken zu Gesa Minke. Es tat weh, dass meine Eltern mir all die Jahre so etwas Entscheidendes verschwiegen hatten. Ich erinnerte mich an die Zeit, als es mich brennend interessiert hatte, Familienfotos zu betrachten, so wie ich es von meinen Freunden kannte. Aber in unserem Haus waren seit jeher überhaupt nur ganz wenige Fotos zu sehen gewesen. Im Schlafzimmer meines Vaters hing eines, das ihn und seine Partner in ihrem Vierer zeigte. Im Wohnzimmer erinnerte eines in einem großen Silberrahmen an die Eltern meiner Mutter, die bei einem Lawinenunglück ums Leben gekommen waren. Und dann gab es natürlich noch Fotos von Amelie auf dem Nachttisch meiner Mutter.
    Wann immer ich weitere Fotos von meinen Großeltern hatte sehen wollen, hatte meine Mutter behauptet, keine zu besitzen. Jetzt wusste ich, warum. Vermutlich wären nicht allzu viele übrig geblieben, hätte sie aus einem Album all jene entfernt, die meine Großeltern mit ihren beiden Töchtern zeigten. Über eine Tante – meine leibliche Mutter – war nie ein Wort gefallen.
    Von der Seite meines Vaters hatte es ein paar wenige Fotos gegeben, die mir seine Mutter einmal bei einem ihrer Besuche stolz gezeigt hatte. Sie hatte ihren Mann früh verloren und ihren einzigen Sohn unter großen Mühen allein großgezogen. Als Verkäuferin in einem Damenoberbekleidungsgeschäft waren ihr keine großen Sprünge möglich gewesen, trotzdem hatte sie stets zufrieden gewirkt. Mit meiner statusbetonten Mutter und ihr waren sich allerdings Welten begegnet, die eigentlich keinerlei Berührungspunkte hatten. Vielleicht war das der Grund gewesen, warum die Besuche meiner Großmutter schließlich immer seltener geworden waren, bis sie vor ein paar Jahren auf ihre leise, zurückhaltende Weise gestorben war.
    Die Stimme meines Vaters drang in meine Gedanken. »Finja?«, schallte es bis zu mir.
    Ich setzte mich in dem schwankenden Boot auf und sah ihn mit einem Tablett auf der Terrasse stehen und nach mir Ausschau halten. »Ich komme«, rief ich und kletterte auf den Steg.
    Als ich auf der Terrasse ankam, hatte er bereits Weißwein in zwei Gläser gegossen und Wasser dazugestellt. »Trinkst du ein Glas mit mir?«, fragte er anstelle einer Begrüßung.
    Ich begegnete seinem erschöpften Blick und nickte. An diesem Abend war ihm sein Alter anzusehen. Seine Falten wirkten tiefer, die Ringe unter den Augen dunkler. Trotzdem war die Kraft zu spüren, die bei ihm nie zu versiegen schien. Sie hatte mir als Kind große Sicherheit gegeben und mit der Geborgenheit, die ich in Ellys Armen gefunden hatte, ein starkes Fundament gebildet. In diesem Augenblick fragte ich mich jedoch, ob es etwas gab, das sie bis in die Grundfesten zu erschüttern vermochte.
    Als hätten wir eine stille Vereinbarung getroffen, erwähnte keiner von uns das Gespräch mit den Kripobeamten. Stattdessen erzählte ich ihm von dem silbernen Golf, von dem ich glaubte, verfolgt worden zu sein.
    »Das waren unsere Leute.« Er zog sich einen Stuhl heran und legte seine Füße darauf. »Sie sind zu deinem Schutz abgeordnet.«
    Es brauchte einen Moment, bis ich begriff, was er da gerade gesagt hatte. Der Schreck verursachte mir eine Gänsehaut. Ich versuchte, sie zu vertreiben, indem ich kräftig über

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