Die Todesbotschaft
Gedanken über die Reihenfolge der Namen gemacht hatte. Bei den drei ersten sah es aus, als habe das Alphabet die Reihenfolge vorgegeben. Wäre diese Vorgehensweise allerdings konsequent durchgehalten worden, hätten die Namen Schormann und Rech ihre Positionen tauschen müssen. Was nicht der Fall war.
Noch einmal rief ich Adrian an. Er hatte schnell eine Antwort parat, weil er sich selbst einmal dafür interessiert und seinen Vater danach gefragt hatte. Die Partner hätten seinerzeit um die Positionen im Firmennamen gewürfelt.
»Also kann diese Aufteilung kein Hinweis auf eine Sonderstellung von Tobias sein?«, fragte ich.
»Nein«, antwortete Adrian, »ganz sicher nicht.«
Als ich um kurz nach neun am Montagmorgen Richards Klingelknopf drückte, spürte ich mein Herzklopfen bis zum Hals. Am liebsten wäre ich an den Punkt zurückgekehrt, an dem wir uns vor Amelies Tod verabschiedet hatten. Aber so einfach würde er es mir vermutlich nicht machen.
Als mir Richard die Tür öffnete, positionierte er sich so im Rahmen, dass ich hätte drängeln müssen, um an ihm vorbeizukommen. »Guten Morgen, Finja.«
»Hallo.« Ich trat von einem Fuß auf den anderen und versuchte, seinem Blick standzuhalten.
Betont langsam bewegte er sich mit einer einladenden Geste von der Tür weg. »Der Kaffee ist schon fertig.«
»Dann kann ich ja gleich loslegen. Lass dich durch mich nicht stören.«
Er folgte mir ins Esszimmer. »Stört es dich, wenn ich dir ein wenig zuschaue?«
»Ehrlich gesagt ja.«
»Dann mache ich es kurz.« Er setzte sich auf den Esstisch und ließ die Füße baumeln.
»Wie meinst du das?«, fragte ich irritiert.
Er lachte. »Ich bleibe nur kurz. Entschuldigung, war blöd ausgedrückt.«
Während ich seine Blicke in meinem Rücken spürte, packte ich meine Utensilien aus.
»Stört dich das?«
»Es ist deine Wohnung, du bist der Auftraggeber.«
»Bedeutet das, du siehst dich selbst als Auftragsarbeiterin?«
Ich atmete auf. Das war Terrain, auf dem ich mich bewegte wie ein Fisch im Wasser. »Wenn du den Auftrag meinst, überhaupt tätig zu werden, dann ja«, antwortete ich, ohne mich zu ihm umzudrehen. »Aber bei der Durchführung nehme ich mir alle Freiheiten. Leute, die gerne ›etwas Blaues‹ an ihrer Wand hätten, weil es gut zur Couch-Garnitur passt, sind bei mir falsch.«
Er schwieg so lange, dass ich schon glaubte, er habe sich zurückgezogen. »Weißt du, dass da draußen Leute in einem Auto sitzen, die dir hierhergefolgt sind? Ich habe es vom Fenster aus beobachten können.«
Ich fuhr fort, die Pinsel auszupacken. »Das hat nichts zu bedeuten.«
»Also handelt es sich um die Schutztruppe deines Vaters. Interessant. Jetzt sag nur bitte nicht, dass die beiden da unten dich vor möglichen Übergriffen beschützen sollen. Dann kennen sie dich schlecht.« Ein leiser Unterton in seiner Stimme ließ die Verletzung ahnen, die ich ihm zugefügt hatte.
Ich drehte mich um. »Was am See passiert ist, tut mir leid. Es wäre schön, wenn du meine Entschuldigung annehmen könntest.« Ich sah ihn abwartend an.
»Jeder verarbeitet Trauer auf seine Weise. Die eigene Schwester auf so entsetzliche Weise zu verlieren, rechtfertigt einiges. Das muss sehr schwer für dich sein.« Er sagte es in einem so mitfühlenden Ton, dass ich all meine Konzentration benötigte, um die Tränen zurückzuhalten und mich gegen die Nähe abzugrenzen, die er aufbaute.
Ich betrachtete meine Pinsel, als hätte ich sie nie zuvor gesehen, und versuchte, gleichmäßig zu atmen. Ich wollte ungestört arbeiten, abtauchen, vergessen. Warum konnte er das nicht spüren? Ein leises Geräusch ließ mich aufblicken. Richard war verschwunden und hatte nur den Duft seines Rasierwassers zurückgelassen.
*
Bis zu seinem Besuch hatte Gesa Tag für Tag gehofft, bald entlassen zu werden. Jetzt war es ihr gleichgültig. Welchen Sinn hatte ihr Leben ohne ihre Tochter, ohne Alexander? Er hatte ihr Geld versprochen. Genug für einen bescheidenen Neuanfang. Genug, um weit fortzugehen, fort von seiner Familie, von ihrem Kind.
Seine Familie, diese Worte stießen ihr bitter auf. Seine Familie war auch ihre Familie. Finja, ihre gemeinsame Tochter, und Freia, ihre zwölf Jahre ältere Schwester, die versucht hatte, ihr die Eltern zu ersetzen. Getrieben von der Vorstellung, dass Freia ihr verzeihen würde, wählte sie deren Nummer. Sie hatte eine der Schwestern um die Erlaubnis gebeten. Nach dem vierten Freizeichen meldete sich die Haushälterin.
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