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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Gesa redete aufgeregt, als sie nach ihrer Schwester fragte. Die Frau am anderen Ende der Leitung bat sie um Geduld, sie werde Frau Benthien ans Telefon holen. Die Sekunden summierten sich zu einer Minute. Sie hörte auf die Geräusche im Hintergrund, spitzte die Ohren bis zum Äußersten, um vielleicht einen Laut ihrer Tochter zu hören. Und dann war die Stimme wieder da und sagte, Frau Benthien lasse ihr ausrichten, sie sei nicht zu sprechen und wünsche keinen weiteren Kontakt zu ihrer Schwester.
    »Wie geht es Finja?«, rief sie ins Telefon. Aber da hatte die Frau bereits den Hörer aufgelegt.
    Mit hängenden Schultern und Tränen in den Augen ging sie zum Gespräch mit Doktor Radolf. Von seinem Schreibtisch aus sah er ihr entgegen, als sie die Tür schloss und sich ihm gegenübersetzte. In seinem Blick lag kein Staunen über ihren Zustand, als hätte er ihn so und nicht anders erwartet.
    »Ich hätte Sie gerne zu dem Gespräch begleitet, Gesa.«
    Sie ließ die Tränen laufen, wischte sie nur von den Händen. »Alexander hat gedroht, mich anzuzeigen, sollte ich mich einem von ihnen auch nur nähern.« Sie zog die Nase hoch und schloss für einen kurzen Moment die Augen. »Wissen Sie, Doktor Radolf, ich kann es ihm gar nicht verübeln. Was ich getan habe, muss ihn sehr getroffen haben. Ich verstehe es doch selbst immer noch nicht. Wenn ich versuche, mich daran zu erinnern, schnürt es mir die Kehle zu.« Sie drosselte ihre Lautstärke bis zu einem Flüstern. »Er muss denken, ich sei ein Ungeheuer.«
    Sein Blick umfing sie voller Wärme und schien zu sagen, dass sie in seinen Augen nie ein Ungeheuer gewesen sei.
    »Sie haben sich so große Mühe mit mir gegeben«, sagte sie. »Und doch ist diese Nacht in einem nebligen Dunkel geblieben. Warum kann ich mich an diese Begegnung am Bootshaus erinnern, aber nicht an das, was danach geschah? Es ist wie ausradiert.«
    »Sie meinen diesen Traum mit dem Beichtstuhl, Gesa«, korrigierte er sie.
    »Wenn es wirklich ein Traum war, Doktor Radolf, dann hat er sich wie die Wirklichkeit angefühlt. Wie kann denn das sein? Ich habe das doch früher noch nie verwechselt.«
    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete sie, als sei das Bild, das er sich von ihr gemacht hatte, immer noch nicht vollständig. »Vielleicht waren Sie auch noch nie zuvor in einer solchen Ausnahmesituation – so jung mit einem Kind dazustehen, dessen Vater die Beziehung mit Ihnen bricht.«
    »Und Sie glauben, in einer solchen Ausnahmesituation würde ich mich dann an so viele Details eines Traums erinnern?«
    »Diese Details beschützen Sie vor der Wahrheit, Gesa«, erklärte er ihr. »Immer noch.«
    »Vielleicht sogar für immer?«, fragte sie mit einem bangen Gefühl.
    »Das kann niemand so genau sagen. Die Zeit wird es weisen.«

[home]
    10
    S eit Amelies grausamem Tod konnte mich bereits ein Klingeln an der Tür in Angst versetzen. Als kurz nach zweiundzwanzig Uhr jemand unten vor dem Haus bei mir Sturm klingelte, griff ich als Erstes nach dem Alarmsender und meldete mich dann über die Sprechanlage. Es dauerte Sekunden, bis ich begriff, dass es Adrian sein musste, der unten wartete. Nachdem ich den Türöffner gedrückt hatte, lehnte ich mich übers Treppengeländer und schaute, ob es tatsächlich mein Schwager war. Zum ersten Mal war ich froh darüber, dass es im Haus keinen Aufzug gab, in den unten jemand ungesehen verschwinden konnte, um mir kurz darauf vor meiner Wohnungstür gegenüberzustehen.
    »Was machst du hier?«, fragte ich, als er wenig später die letzte Stufe der vier Stockwerke erreichte und nach Luft schnappte, als sei er ein alter Mann und kein sportlicher Mittdreißiger.
    »Ich wollte mit dir reden«, sagte er.
    »Warum hast du nicht angerufen?«
    Er schüttelte den Kopf und folgte mir in den Flur, wo er seine Tasche fallen ließ und wie ein Hochleistungssportler nach einem anstrengenden Sprint die Hände in die Hüften stemmte. Während er wieder zu Atem kam, betrachtete er meine bis zur Decke reichenden Bücherregale. Und ich nahm mir Zeit, ihn anzusehen. Früher hatte Adrian als Kontrast zu seinen dunklen Haaren oft kräftige Farben gewählt, inzwischen trug er nur noch schwarz. In meinem aubergine und türkis gemusterten Kleid musste ich ihm wie ein unerträglicher Farbklecks vorkommen. Doch selbst nach Amelies Tod konnte ich mich nicht gegen Farben entscheiden, sie waren ein essenzieller Bestandteil meines Lebens.
    »Möchtest du etwas trinken?«, fragte ich.
    »Am

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