Die Todesgöttin
ich Platz genommen hatte. Sie fragte nach meinen Wünschen.
Ich hatte Durst auf einen Whisky.
»Scotch oder Bourbon?«
Ich nahm Scotch. Eis lehnte ich ab, hob das Glas an und drehte es in den Händen. Genüsslich trank ich von der goldbraunen Flüssigkeit, die wenig später meinen Magen wärmte. Es tat gut, sich ein wenig zu entspannen und an nichts weiteres mehr denken zu müssen.
Ich wollte wirklich für fünf Minuten meine Ruhe haben und schloss die Augen.
Die wohlige Wärme des Alkohols ergriff bald von meinem gesamten Körper Besitz, und mir kam es nicht vor wie in einem Flugzeug, sondern eher wie zu Hause im gemütlichen Wohnraum. Es half nichts, zu träumen, ich musste mich mit der Wirklichkeit abfinden und dachte wieder an den Job, der vor mir lag. Es ging gegen Kali, das war hart genug.
Das kleine Buch, das wir bei dem Inder auf dem Flughafen in London gefunden hatten, steckte in meiner Innentasche. Ich holte es hervor und schlug es auf. Die Totengöttin wollte ich mir noch einmal anschauen, damit sich ihr Bild bei mir einprägte.
Als ich die Seite aufschlug, wo ich die Zeichnung finden konnte, weiteten sich meine Augen.
Die Seite war leer.
Kali existierte nicht mehr!
***
Das war wirklich eine gelungene Überraschung. Und keine gute, wie ich meine. Ein Bild verschwindet nicht einfach mir nichts dir nichts aus dem Buch, dahinter steckte Magie. Damit verfolgte man einen Plan. Allerdings fragte ich mich, welchen. Fast hätte ich das Buch vor Schreck fallen gelassen. Ich fühlte mich plötzlich beobachtet und dachte daran, dass ich auch innerhalb des Flugzeuges vor meinen Gegnern nicht sicher war.
Die steckten überall. Jeder der Passagiere konnte auf der anderen Seite stehen.
Ich blätterte das geheimnisvolle Buch noch weiter auf. Ein paar Seiten danach befand sich die Zeichnung des Gottes Schiwa. Sie war noch vorhanden. Als ich dann wieder zurückblätterte und auf die Seite schaute, die einmal das Bild der Totengöttin geziert hatte, fiel mir etwas auf.
Die Seite war nicht mehr leer. Wenn ich das Buch ein wenig schräg gegen das Licht hielt, kristallisierten sich einige Buchstaben hervor.
Allerdings in einer Schrift, die ich nicht lesen konnte. Sie wurde in Indien benutzt.
Ich dachte nach.
Mein Blick fiel auf die Stewardess, die hinter der Bar stand. Vielleicht konnte sie die Schrift lesen, schließlich war sie Inderin. Ob ich es riskieren konnte und ihr das Buch einmal in die Hand drückte?
Sie hatte meinen Blick bemerkt und lächelte. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?« fragte sie sehr höflich.
»Vielleicht.«
»Um was geht es denn?«
»Es dreht sich um dieses Buch.« Ich hielt es hoch, damit sie es erkennen konnte. Von außen sah es völlig normal aus, da war nichts von dem brisanten Inhalt zu merken.
»Und was ist damit?«
»Nun, da steht auf einer Seite etwas, das ich nicht lesen kann. Es ist wohl in indisch verfasst. Wenn Sie so nett sein würden, es mir zu übersetzen! Ich lasse mir das ein Glas Sekt oder etwas anderes kosten.«
»Nein, Sir, Alkohol trinken wir während der Dienstzeit nicht. Ich sowieso nie, aber ich kann gern nachschauen, welcher Text dort aufgeführt wurde.«
»Das wäre wirklich sehr nett.« Ich gab der Stewardess das Buch und zündete mir eine Zigarette an.
Das Girl schlug die ersten Seiten auf. Ich beobachtete sie über die Flamme meines Feuerzeugs hinweg.
Ihr Gesicht veränderte sich.
Die Augen, groß mit Pupillen dunkel wie Haselnüsse, zeigten einen nicht gelinden Schreck. Schweiß stand plötzlich auf ihrer Stirn und lag auch auf den Wangen. Fahrig fuhr die Zunge über die vollen Lippen, dann jedoch hob die Stewardess die Schultern und brachte es fertig, wieder zu lächeln.
»Es tut mir sehr leid, Mister, aber ich kann Ihnen den Text leider nicht übersetzen.«
»Schade.«
»Er ist in einem Dialekt geschrieben.«
»Da kann man wohl nichts machen«, erwiderte ich und lächelte. Dann nahm ich das Buch wieder an mich. Die Kleine konnte mich nicht leimen.
Sie hatte den Text genau verstanden, das hatte ich an ihrer Reaktion bemerkt. Aber warum wollte sie mir nichts sagen? Was war so schlimm daran?
Ich leerte mein Glas und rutschte vom Hocker. Durch den Mittelgang schritt ich wieder zu meinem Platz zurück. Suko schlief noch immer. Bill schaute nur kurz von seinen Notizen hoch, als ich mich niederließ. Von dem verschwundenen Bild erzählte ich weder Suko noch Bill Conolly etwas. Das wollte ich für mich behalten.
Von meinem Platz aus konnte ich die
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