Die Todesgöttin
des gewaltigen Stroms.
Auf der Oberfläche sah ich große Ölflecken, und altersschwache Kähne kämpften gegen die Strömung an.
Am Ufer hielten sich zahlreiche Menschen auf. Sie schauten auf das Wasser, in dem Frauen aus Elendshütten ihre Wäsche wuschen.
Schwärme von Fliegen umtanzten die Köpfe der Menschen, und über allem stand eine heiße, stechende Sonne am Himmel. Diese Gegend hier war eine Brutstätte des Elends und der Armut.
Wir mussten langsam fahren. Kinder hatten unseren Wagen entdeckt.
Sie liefen zu beiden Seiten des Fords her und starrten aus großen, hungrigen Augen durch die Scheiben. Es waren ausgemergelte Gestalten, in Lumpen gehüllt, die wohl nie in ihrem Leben satt zu essen hatten.
Hart presste ich die Lippen zusammen. Ein Kloß würgte in meinem Hals, und ich dachte daran, dass in unserer Wohlstandsgesellschaft soviel weggeworfen wurde.
Bill und Suko erging es nicht anders. Manchmal bewegte der Reporter die Lippen, ohne etwas zu sagen.
Mandra Korab, der den Wagen lenkte, hatte bewusst ein anderes Fahrzeug ausgesucht. Wenn er schon auffiel, dann nicht durch einen fast nagelneuen Luxuswagen.
Als die Straße etwas breiter wurde und rechts die Elendshütten aufhörten, lenkte der Inder den Ford auf einen staubigen Platz, wo ein paar karge, harte Grasbüschel wuchsen. Etwa fünfzig Yards entfernt standen zwei Kühe und suchten nach Nahrung.
Wir stiegen aus.
Sofort traf uns die Hitze. In Flussnähe war es noch feuchter, fast wie im Dschungel. Die Sonne schimmerte rötlich. Sie senkte sich dem Horizont entgegen, bald würde sie untergehen. Eine gnädige Dunkelheit deckte dann das Land wie ein großer Schleier zu.
»Wie weit ist es noch?« erkundigte ich mich bei Mandra Korab.
Er deutete nach vorn. Wenn ich genau schaute, sah ich die Mauer, die eine Barriere zum Fluss hin bildete. »Dahinter liegt der Platz, soviel ich weiß.«
»Sollen wir?«
Mandra nickte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Eine Erklärung folgte sofort. »Mir ist es wirklich noch zu hell. Ich möchte lieber abwarten, bis die Sonne untergegangen ist. Dann können wir es versuchen.«
»Und das geht in den Tropen schnell«, meinte Bill.
Mandra lächelte. »Sehr richtig. Ihr werdet euch wundern, wie rasch es dunkel ist.«
Ich hatte dem nichts hinzuzufügen. Mandra Korab führte hier das Kommando, nicht wir.
Die Kinder waren uns nicht weiter gefolgt. Ich wunderte mich darüber und fragte Mandra Korab.
»Nicht nur die Erwachsenen wissen Bescheid, welche Plätze und Orte sie nach Möglichkeit meiden sollten, auch den Kindern wurde es eingeimpft. Der Platz, zu dem wir uns begeben wollen, ist verflucht. Aus der einstmals heiligen Stätte ist ein Ort des Schreckens geworden. Nicht einmal die Polizei läßt sich hier blicken. Die Männer haben Angst vor dem Fluch der Totengöttin.«
Mandra hatte wirklich nicht übertrieben. Normalerweise ballten sich hier am Rande der Stadt die Elendsquartiere der Ärmsten, doch hier sahen wir unbenutztes, freies Land. Es lag ein Ring um diese Verbrennungsstätte.
Ich schwitzte, obwohl ich nichts tat. Es war einfach unerträglich schwül Als sich Mandra Korab in Bewegung setzte, da folgte ich ihm, ehrlich gesagt, nur widerwillig.
Auch Mandra Korab hatte sich bewaffnet. Er trug nicht nur ein kurzes Krummschwert, sondern hatte auch sieben Dolche mitgenommen, die er in seinem Spezialgürtel verteilte. Ich hatte solche Messer noch nie gesehen, denn sie besagen schmale, pechschwarze Klingen, während ihre Griffe in einem geheimnisvollen Rot leuchteten. Das Rot war nicht aufgemalt, sondern leuchtete als hin- und herwogende Wolke im durchsichtigen Griff.
Die Messer interessierten mich natürlich, und ich fragte den Inder danach.
Nebeneinander gingen wir. Mandra lächelte, bevor er mir eine Antwort gab. »Die Dolche sind in der Tat etwas Besonderes«, erwiderte er, »da hast du schon recht.«
»Und woher stammen sie?«
»Der Legende nach soll der Gott Wischnu sie in seinem Besitz gehabt haben. Ich fand sie in einem alten Grabmal, in dem zwei Göttinnen beigesetzt worden waren. Die Särge waren verfallen, das Gold interessierte mich nicht, nur die Dolche, die nahm ich an mich. Lange habe ich nach ihrer Herkunft geforscht. In einem Kloster in den Bergen bekam ich dann die Antwort. Wischnu soll sie aus den Armen sterbender Dämonen geformt haben, die der Göttin Kali und vor allen Dingen dem Götzen Schiwa dienten. Er hatte sich damit bewaffnet, um den Kampf gegen seine Feinde
Weitere Kostenlose Bücher